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Wichtiges BGH-Urteil im Dieselskandal – und die Autobauer sind die Verlierer

Neues Grundsatzurteil im Dieselskandal – und eine herbe Schlappe für die Autohersteller. Was die Richter am Bundesgerichtshof entschieden.Autohersteller müssen grundsätzlich Schadenersatz für Dieselautos mit Thermofenster-Technik zahlen, wenn diese in einem zu kleinen Temperaturbereich Abgase ordnungsgemäß von Schadstoffen reinigt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob am Montag Urteile von Gerichten auf, die Schadenersatzklagen abgewiesen hatten, und verwies sie zurück. Die Berufungsgerichte müssten die Haftungsfrage weiter aufklären, erklärte Richterin Eva Menges.Geklagt hatten Autobesitzer gegen Audi, Mercedes-Benz und Volkswagen. Ihre Diesel-Pkw halten nur bei bestimmten Außentemperaturen die Schadstoff-Grenzwerte für Stickoxid ein. Bei hohen und niedrigen Temperaturen wird die Abgasreinigung gedrosselt zum Motorschutz. Das ist nach EU-Recht prinzipiell möglich, die Grenzen dafür wurden durch Rechtsprechung infolge des Dieselskandals aber eng gezogen. Die Kläger können einen Teil des Kaufpreises zurückerhalten, sofern in den Motoren ihrer Autos eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist.Mit dem Urteil ändert der BGH seine bisherige Rechtsprechung, wonach es keinen Schadenersatzanspruch gab, weil beim Thermofenster nur von Fahrlässigkeit und nicht von vorsätzlicher Schädigung auszugehen sei. Der übergeordnete Europäische Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg hatte dagegen entschieden, dass der Käufer einen Anspruch auf Entschädigung auch bei Fahrlässigkeit hat. Offen dazu sind noch mehr als 100.000 Verfahren in Deutschland. Die Autobauer verweigerten bisher Schadenersatz, weil ihre Technik rechtlich einwandfrei und vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigt sei.Wie war die Ausgangslage?Der BGH hat Hunderttausenden Betroffenen des VW-Abgasskandals den Weg zu Schadenersatz geebnet. Aber seit seinem ersten und wichtigsten Urteil aus dem Mai 2020 galt stets: Ansprüche hat nur, wer vom Autobauer über den Schadstoffausstoß auf sittenwidrige Weise getäuscht wurde. Beim VW-Skandalmotor EA189 war das der Fall. Denn hier wurde eine Betrugssoftware so programmiert, dass die Autos in Behördentests in einen speziellen Modus wechselten – und dann weniger giftige Abgase freisetzten als tatsächlich im Straßenverkehr.Was ist jetzt anders?Ein Urteil aus Luxemburg rüttelt an der bisherigen BGH-Rechtsprechung. Denn der EuGH hatte die Hürden in einem Mercedes-Fall aus Deutschland im März deutlich niedriger angesetzt. Schadenersatz-Ansprüche könnten demnach schon bei einfacher Fahrlässigkeit entstehen – und nicht erst dann, wenn bewusst geschummelt und getrickst wurde.Wie könnte ein Schadenersatz aussehen?Das ist eine Frage, die den BGH bei der mündlichen Verhandlung am 8. Mai über fünf Stunden hinweg beschäftigte. Diskutiert wurden verschiedene Szenarien: Das unwahrscheinlichste dürfte der sogenannte große Schadenersatz sein.Das würde Rückabwicklung des Kaufes und Rückerstattung des Kaufpreises bedeuten. Wahrscheinlicher schien aber nach erster Einschätzung des Senats, eine Art "kleineren" beziehungsweise "mittleren" Schadenersatz festzuzurren.Das heißt?Dass es auf die Berechnung des Minderwertes ankommt: Also die Differenz zwischen einem funktionsfähigen Auto ohne eine möglicherweise unzulässige Abschalteinrichtung und dem unwissentlich tatsächlich erhaltenen Auto mit der Abschalteinrichtung.Wie soll das errechnet werden?Das ist ziemlich kompliziert. Denn was ist eine unzulässige Abschalteinrichtung? Alle Thermofenster oder nur die, die sich außerhalb einer bestimmten Temperatur-Bandbreite bewegen? Und ist ein Auto mit unzulässiger Abschalteinrichtung, die dann aber mit Software-Updates entfernt wurde, wirklich weniger wert, als ein Auto, das von vornherein keine Abschalteinrichtung hatte? Und wenn ja, wie soll der Minderwert dann in Euro und Cent beziffert werden?Und was ist mit Autos, deren Motoren erst nachträglich vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) beanstandet wurden oder bis heute eine Freigabe haben? Kann man dafür nur die Autohersteller haften lassen? Die Autobauer hoben bei der Verhandlung am 8. Mai beispielsweise auf den "unvermeidbaren Verbotsirrtum" ab – dass sie also beim besten Willen nicht hätten wissen können, dass eine Abschalteinrichtung nicht rechtens ist.Der Dieselsenat muss eine pragmatische Antwort auf die Frage finden, wie getäuschte Dieselfahrer ohne unangemessenen Aufwand – etwa teure Gutachten – zu ihrem Recht kommen. Und er muss ein Prozedere finden, mit dem auch die unteren Gerichte einen Schaden mit vernünftigem Aufwand bemessen können. Derzeit liegen Tausende Verfahren wegen der unklaren Rechtslage auf Eis.Lohnt es sich bald, auf jeden Fall zu klagen?Das bleibt abzuwarten. Schon unter alter Rechtslage war es bisweilen so, dass ein erfolgreicher Kläger sich die gefahrenen Kilometer und die Nutzung des Autos anrechnen lassen musste – und unter dem Strich dann kaum Geld herausbekam.