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Formel 1: Red-Bull-"Mastermind" – Die Erfolgsgeschichte von Hannah Schmitz

Das Bild der Formel 1 ist noch immer geprägt von Männern. Doch Hannah Schmitz zählt zu den erfolgreichsten Figuren in der "Machowelt" des Motorsports.Acht Rennen, achte Siege: Es ist die pure Dominanz, die der Red-Bull-Rennstall rund um den amtierenden Fahrerweltmeister Max Verstappen in dieser Formel-1-Saison ausstrahlt. In der Regel sehen die Rennwochenenden zurzeit so aus: Max Verstappen fährt von der Pole-Position los und hat sich schon nach wenigen Runden genug Vorsprung auf das restliche Feld herausgefahren, dass er sogar einen Boxenstopp machen kann, ohne die Führung zumindest zwischenzeitlich zu verlieren.Dabei schaffte der Niederländer eine unglaubliche Statistik: Der Große Preis von Miami fand am 7. Mai – also vor nunmehr fast zwei Monaten – statt. Ganze drei Rennen wurden seither gefahren. Und seitdem Verstappen in Miami in Runde 48 die Führung des Rennens übernahm, hat er jede einzelne Runde jedes einzelnen Rennens angeführt. Die Dominanz ist erdrückend.Doch was von neutralen Beobachtern gerne als pure Langeweile abgetan wird, ist in Wirklichkeit ein spektakulärer Erfolg des Rennstalls. Denn für eine derartige Dominanz im Haifischbecken braucht es ein perfektes Zusammenspiel vieler Komponenten: Neben einem überragenden Auto und einem talentierten Fahrer zählt dazu auch Woche für Woche die perfekte Rennstrategie.Bei Red Bull dafür verantwortlich: Hannah Schmitz. Die Britin ist leitende Strategieingenieurin bei dem österreichischen Rennstall. Zusammen mit ihrem Team, insbesondere dem ihr gleichgestellten Kollegen Will Courtenay, entscheidet sie damit unter anderem über Reifenwahl und Zeitpunkt der Wechsel – und ist dabei so gut wie kaum ein anderer. Damit ist sie zu einer Vorreiterin für Frauen im "Machosport" Formel 1 geworden.Die Meisterin der Daten und ZahlenAuf den Laien wirkt Schmitz' Job wie eine recht simple Aufgabe. Doch hinter der Koordination der Boxenstopps verbirgt sich eine hochkomplexe Entscheidungsfindung unter Hochdruck. Wie sehr beansprucht die Strecke welche der Reifen? Wie oft soll der Fahrer stoppen? Wann muss er alles aus Auto und Reifen herausholen, wann das Material schonen, damit die geplante Strategie aufgeht? Wann müssen die beiden Fahrer zusammenarbeiten? Und was macht eigentlich das Wetter? Um all diese Fragen richtig zu beantworten, beginnen Schmitz und ihr Team schon mehrere Wochen vor einem Rennen damit, sich durch Datenberge zu wühlen und sich auf die Charakteristiken einer Rennstrecke vorzubereiten.Während des Rennens geht die Datenanalyse dann jedoch weiter: Funksprüche zwischen Team und Fahrer wollen abgehört, Videomaterial aus dem Auto gesichtet und die Informationen unzähliger Sensoren an den Boliden analysiert werden. Um all die Live-Kalkulationen und Simulationen zu bearbeiten, hat Red Bull sogar einen eigenen "Operations Room" im Werk im englischen Milton Keynes eingerichtet, in dem unzählige Mitarbeiter gleichzeitig die Informationen verarbeiten und teils einmal um den Globus an den Kommandostand an der Rennstrecke weiterleiten.Entscheidungen innerhalb von Sekunden"Wir hören jeden Funkspruch des Teams, wir sehen jedes On-Board-Videomaterial, wir können uns alle Zahlen im Detail ansehen und zentrale Informationen innerhalb von Sekunden an die Pit Wall weiterleiten. Es ist, als würde man im selben Raum zusammenarbeiten – ohne Verzögerung!", berichtet Schmitz begeistert auf der Red-Bull-Homepage von dem Raum im Nasa-Stil. Immer abwechselnd mit ihrem Kollegen Courtenay verbringt sie jeweils ein Rennen an der Rennstrecke und eines im "Operations Room".Besonders hektisch wird die Entscheidungsfindung dann, wenn Unfälle, gelbe und rote Flaggen, Safetey-Car-Phasen, Strafen oder wechselhafte Wetterbedingungen alles durcheinanderwirbeln und kurzfristige Planänderungen nötig machen. Dabei müssen Entscheidungen nicht selten innerhalb von Sekunden getroffen werden. Einmal zu lange gezögert und der Fahrer fährt an der Boxeneinfahrt vorbei, muss womöglich eine weitere Runde auf dem falschen Reifen verbringen und verliert dabei wertvolle Sekunden, teils auch nur Sekundenbruchteile, die in der Formel 1 den Unterschied ausmachen. Ein Fehler und der sicher geglaubte Rennsieg ist futsch, eine richtige Entscheidung und ein eigentlich verlorenes Rennen ist wieder offen."Diesen Adrenalin-Kick habe ich sonst nirgends"Doch Schmitz ist von den großen Konsequenzen ihrer Arbeit nicht abgeschreckt. "Diesen Adrenalin-Kick wie bei einer wichtigen Entscheidung habe ich sonst nirgends. Die Tatsache, dass ich den Ausgang eines Rennens beeinflussen kann, macht es unfassbar interessant", sagt sie. Wenn sie auf das Ergebnis ihrer Entscheidungen warte, sitze sie "wie auf Nadeln". Es handele sich dabei meist nur um etwa 20 Sekunden, doch es könne sich anfühlen "wie ein halbes Leben", beschreibt Schmitz.Im Haifischbecken Formel 1 hat die Britin damit einen der wohl stressigsten Jobs, noch dazu bei einem Team, für das alles andere als Siege und Titel zu wenig sind – und das dafür bekannt ist, wenige Fehler zu verzeihen. "Ich glaube, die Fähigkeit, in schwierigen Situationen ruhig zu bleiben, gehört zu den wichtigsten Attributen eines Strategen", sagt Schmitz deshalb.Besondere Technik zur KonzentrationUm genau das zu schaffen, hat die Strategin eine ganz besondere Technik entwickelt: Wenn sie wichtige Entscheidungen treffen muss, legt sie beide Handflächen flach auf die Tischplatte. "Das hilft dir dabei, klarer zu denken und die gezogenen Schlüsse nachdrücklicher zu kommunizieren", sagt sie.Eine ungewöhnliche Methode, doch der Erfolg gibt ihr recht. Wie gut Schmitz tatsächlich ist, wurde dabei vor allem im vergangenen Jahr mehrfach deutlich. Während Titelkonkurrent Ferrari seine Fahrer gleich mehrfach auf den falschen Gummis rausschickte oder zum falschen Zeitpunkt in die Box rief und so wichtige Punkte im Titelrennen wegwarf, glänzte Schmitz immer wieder mit der genau richtigen Strategie. So lotste sie Verstappen etwa beim Großen Preis von Ungarn von Startplatz zehn zum Rennsieg.Auch Teamkollege Sergio Perez profitierte von ihr. Beim prestigeträchtigen Großen Preis von Monaco, bei dem aufgrund der Enge der Straßenschluchten Überholen fast unmöglich ist, brachte Schmitz Perez mit der richtigen Strategie an den Ferraris vorbei und bescherte ihm den wohl begehrtesten Rennsieg im Formel-1-Kalender."Der Sieg war vor allem Hannah zu verdanken"Die Leistung im Fürstentum begeisterte selbst den sonst so nüchternen wie kritischen Red-Bull-Berater Helmut Marko: "Ein riesiges Kompliment an unsere Hannah, sie ist unsere Chefstrategin hier gewesen", sagte er. "Wir waren alle außergewöhnlich, aber der Sieg war vor allem Hannah zu verdanken", analysierte er.Die Lorbeeren musste sich Schmitz jedoch hart erarbeiten. Die Faszination für Autos packte sie bereits als Kind und führte schließlich zu einem Maschinenbau-Studium an der renommierten Cambridge-Universität. Nach ihrem Master-Abschluss kam sie 2009 über ein Praktikum zu Red Bull. Dort war sie zunächst Ingenieurin für Modelle und Simulationen, bis sie schon 2011 "Senior Strategy Engineer" wurde. Seit 2021 arbeitet sie nun als Chefstrategin. Als Frau in der "Machowelt" Formel 1In der immer noch von Männern dominierten "Machowelt" Formel 1 hat sie es dabei nicht unbedingt einfach gehabt. "Es ist ein ziemlich männlich dominiertes Umfeld. Es gibt definitiv Herausforderungen, die daraus resultieren, die ich hoffentlich überwunden habe", sagt sie etwa. "Ich würde sagen, ich habe keine besonders schlechten Erfahrungen gemacht, aber ich denke, es gibt eine Menge Leute, die nicht so viel Vertrauen in dich haben, einen Job auszuführen", so Schmitz weiter. "Als eine Strategin musst du Leuten sagen, was sie zu tun haben und sie müssen dir zuhören. Es geht also darum, Vertrauen aufzubauen. Ich glaube, leider war das als Frau schwerer, aber jetzt habe ich es geschafft und habe das Vertrauen."Mittlerweile fühlt sie sich bei ihrem Arbeitgeber pudelwohl: "Red Bull ist zu einer zweiten Familie geworden – auch wenn ich das nicht zwingend geplant hatte", sagt sie.Als Mutter im VollzeitjobIhre erste Familie baute sie dabei ganz nebenbei während ihrer zeitintensiven und anspruchsvollen Tätigkeit bei Red Bull auf. Zwei Kinder hat Schmitz zusammen mit ihrem deutschen Ehemann, dem sie auch ihren deutschen Nachnamen verdankt. Teamchef Christina Horner ringt das höchsten Respekt ab. "Sie war 2018 im Mutterschaftsurlaub und ist anschließend Vollzeit in den Job zurückgekehrt", sagte er über seine Strategin. "Sie arbeitet neben ihrer Rolle als Mutter und sie fährt jeden Tag stundenlang ins Büro und gibt dort alles."Einen ganz besonderen Moment erlebte sie dabei kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes. Beim Großen Preis von Brasilien 2019 packte sie mal wieder die beste Strategie aus: Im Gegensatz zu den beiden Mercedes beorderte sie Verstappen drei- statt zweimal an die Box. Zwar fiel der Niederländer durch den zusätzlichen Stopp vorerst hinter die Silberpfeile zurück, doch das Risiko ging auf. Mit den frischeren Pneus kam Verstappen vorbei und gewann das Rennen."Hoffe, dass andere junge Frauen sehen, dass es möglich ist"Schmitz durfte als Teammitglied mit aufs Podium und die Trophäe für den siegreichen Konstrukteur in die Höhe recken. "Es war ein unglaublich besonderer Moment und der Höhepunkt meiner Karriere", erinnert sie sich. "Ich hatte gerade erst wieder angefangen zu arbeiten, nachdem ich mein erstes Kind geboren hatte. Deshalb war es eine große Sache für mich, zu beweisen, dass ich immer noch da bin und den Job immer noch gut machen kann. Es war einfach eine unglaubliche Erfahrung."Es sind Erfahrungen, von denen Schmitz hofft, dass auch viele andere Frauen sie noch in der Formel 1 machen dürfen. "Ich hoffe, dass andere junge Frauen, die in den Sport wollen, sehen, dass es möglich ist und sie es sich zu eigen machen und wir mehr Diversität sehen werden", sagt sie.