Explosionen auf der Krim-Brücke? Angriff auf Putins Herzstück
Mit der mutmaßlichen Explosion auf der Krim-Brücke wurde wiederholt ein Prestigeobjekt des Kremls getroffen. Die Spur führt offenbar nach Kiew. Es waren wohl zwei Explosionen, die am Montagmorgen die Krimbrücke zwischen der Halbinsel Krim und dem russischen Festland erschütterten, wie die ukrainische Nachrichtenagentur RBC-Ukraine berichtete. Auch russische Behördenvertreter bestätigten den Vorfall und sprachen von einer "Notsituation".Demnach seien zwei Personen aus dem Gebiet Belgorod auf der Schwarzmeer-Halbinsel ums Leben gekommen. Das getötete Paar sei mit seiner Tochter in einem Auto gewesen, als sich der Vorfall ereignete. Das Mädchen sei mit Verletzungen in ein Krankenhaus gekommen. Der Verkehr auf der Brücke wurde eingestellt. Nur der Eisenbahnverkehr auf der Brücke sollte gegen 9 Uhr Ortszeit wieder laufen. Bis dahin sollte auch geklärt werden, wann der Fährbetrieb wieder aufgenommen werden könne. Grund dafür seien Schäden an der Fahrbahn, teilte das russische Verkehrsministerium mit. Die Brückenkonstruktion aber sei intakt.Moskau: Kiew habe "Terrorakt" verübtWer die Verantwortung für die mutmaßlichen Explosionen trägt, ist unklar. Moskau beschuldigte Kiew, einen "Terrorakt" an der Brücke verübt zu haben. Auch Großbritannien und die USA sollen demnach an einem Angriff auf die Brücke beteiligt gewesen sein, behaupteten russische Vertreter, ohne Belege dafür vorzulegen.Die Ukraine räumte eine Beteiligung an dem Vorfall offiziell nicht ein. Aus Sicherheitskreisen des Inlandsgeheimdienstes SBU aber erfuhr die Nachrichtenagentur AFP, dass es sich dabei um eine "Spezialoperation" des SBU gemeinsam mit der ukrainischen Marine gehandelt haben soll. Mehr dazu lesen Sie im Newsblog zum Krieg in der Ukraine. Mit dem mutmaßlichen Angriff auf die Krim-Brücke wurde erneut das Herzstück der Kreml-Propaganda getroffen, die behauptet, die russisch besetzte ukrainische Halbinsel Krim gehöre zu Russland. Die Brücke über der Straße von Kertsch ist für Russen der einzige Weg zur Halbinsel. In der russischen Bevölkerung gilt sie als Urlaubsparadies – und als Sehnsuchtsort russischer Großmachtträume.Prestigeobjekt und Kern der russischen MilitärstrategieBereits 2014 war die Halbinsel durch Russland völkerrechtswidrig annektiert worden. Durch die erfolgreiche Fertigstellung der 19 Kilometer langen Krim-Brücke demonstrierte der Kreml, dass er trotz westlicher Sanktionen in der Lage ist, anspruchsvolle Infrastrukturprojekte auf der Halbinsel umzusetzen.Der russische Präsident Wladimir Putin ließ es sich darum nicht nehmen, die Brücke im Jahr 2018 persönlich einzuweihen. Hinter dem Steuer eines orangefarbenen Lasters fuhr er höchstpersönlich über sein Bauwerk. Das ist seitdem nicht nur Prestigeobjekt des Kremls, sondern auch ein wichtiger Transportweg, um die Bevölkerung auf der Halbinsel mit Treibstoff und Lebensmitteln zu versorgen. Am 24. Februar 2022 ist sie mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zudem zu einem zentralen Element in der russischen Militärstrategie geworden. Bilder zeigten in den vergangenen Monaten, wie Güterzüge schwere Militärfahrzeuge über die Brücke transportierten. Auch soll über sie der Munitionsnachschub für die russische Armee gesichert werden. Aus Sicht der Ukraine ist die Brücke daher ein durchaus lohnendes militärisches Ziel.Immer wieder kam es seit Invasionsbeginn zu mutmaßlich ukrainischen Angriffen auf Flugfelder und Munitionslager auf der Krim. Bewohner und Besucher der Halbinsel dürften sich vor allem an eine größere Attacke im Oktober 2022 erinnern: Da explodierte ein mit Sprengstoff beladener Lkw auf der rund 19 Kilometer langen Brückenkonstruktion und hinterließ schwere Schäden. Die Brücke konnte jedoch repariert werden. Ende Mai räumte der ukrainische Geheimdienst erstmals eine Beteiligung an der Explosion ein.Urlaubsparadies für RussenTrotz dieser Gefahren sowie strenger Sicherheitskontrollen lassen es sich russische Touristen jedoch offenbar nicht nehmen, weiter ihren Sommerurlaub auf der Krim zu verbringen und den nicht ungefährlichen Weg über die Brücke zu nehmen. Das aber führt zu Problemen: Zahlreiche Urlauber berichten von stundenlangem Warten in Richtung der Halbinsel. So bildete sich etwa bereits Anfang Juli ein dreizehn Kilometer langer Stau vor der Zufahrt zur Brücke. Wie die russische Nachrichtenagentur Interfax meldete, mussten Rettungskräfte und Freiwillige Wasser an die Autofahrer verteilen.Schon in Zeiten der Sowjetunion war die Krim ein beliebter Erholungsort. Nach ihrer völkerrechtswidrigen Annexion lockte der Kreml die russische Bevölkerung mit Angeboten auf die Halbinsel. Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist die Zahl der Urlauber nach russischen Behördenangaben zwar zurückgegangen, aber wie der Sommer 2023 zeigt, strömen die Russen weiter in Massen auf die Krim.Kreml setzt offenbar Marine ein, um Urlauber zu transportierenDer Stau aber ist nicht nur für die Touristen beschwerlich: Laut einem Bericht der Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) hat er auch Putin in den vergangenen Wochen zunehmend in Bedrängnis gebracht. So bat der russische Verkehrsminister Vitaly Saveliev den russischen Präsidenten, das Verkehrsproblem zu lösen. Mehrere russische Militärblogger forderten dazu den Einsatz von Militär, um die Urlauber an ihr Ziel zu transportieren.Dass diese trotz des Kriegs und der prekären Sicherheitslage auf die Krim wollen, ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass russische Staatsmedien in ihrer Propaganda nicht wahrheitsgemäß über die Situation vor Ort berichten. Viele erfahren erst vor Ort etwa von verminten und gesperrten Stränden.Um sie dennoch auf die Halbinsel zu bringen, ist Putin nun offenbar dem Wunsch der russischen Militärblogger nachgekommen: So setzt er seit diesem Sommer offenbar Marinestreitkräfte der russischen Armee ein, um das Stauproblem zu lösen, berichtet das ISW am Montag.Demnach erklärte der Kommandeur der russischen Marine, Maxim Rykhlov, dass die russische Marine zwei große Landungsschiffe als Fahrzeugfähren in der Straße von Kertsch stationiert habe. Ein gefährliches Unterfangen, sind Marineschiffe angesichts des russischen Krieges doch ein legitimes Ziel für die ukrainischen Streitkräfte.Zu erwarten ist, dass mit dem Angriff auf die Brücke von Montag nun auch zahlreiche Touristen wieder zurück auf das russische Festland fahren wollen. Wann dies wieder möglich sein wird, ist bislang jedoch unklar. Lediglich der Zugverkehr sollte am Montagmorgen wieder aufgenommen werden. Die Straße aber wurde durch die Explosion schwer beschädigt, wie Bilder von vor Ort zeigen.