Deutschlands Autobauer in der Krise: "Die Party ist vorbei"
Neustart vermasselt: 2023 sollte das Jahr der deutschen Autobauer werden. Nun wird es zum Krisenjahr – und womöglich nicht dem letzten.Im Winter wird's dunkel: Noch arbeiten die deutschen Autobauer ihre Auftragsbestände ab. Doch das ist bald erledigt. Und dann gibt es nicht viel zu tun.Schon in den ersten fünf Monaten des Jahres haben die deutschen Autobauer (Audi, BMW, Mercedes und VW) deutlich weniger Neuwagen produziert als vor der Corona-Krise. Das Minus liegt bei rund 20 Prozent. Das sind eine halbe Million Autos weniger in Europa als im Vergleichszeitraum 2019, berichtet das "Handelsblatt". Dabei sollte es ganz anders kommen.Denn während der Corona-Krise fehlte es an Halbleitern und anderen Materialien – und damit letztlich auch an Neuwagen. Die Kunden bestellten mehr, als die Hersteller bauen konnten. Nun sind Corona und die Engpässe überwunden, die Hersteller freuten sich auf volle Autohäuser und Auftragsbücher.Aber beide blieben leer.Drastischer AuftragsrückgangVor allem für Stromer fehlt es an Kunden. Der Auftragseingang für E-Autos liege 30 bis 50 Prozent unter den Werten des Vorjahres, sagt Thomas Peckruhn, Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). Aber auch Verbrennermodelle lassen sich schwer verkaufen.BMW baut ein Zehntel weniger Autos als vor Corona.Bei Mercedes beträgt der Rückgang europaweit sogar 30 Prozent. Allerdings verfolgt Vorstandschef Ola Källenius bewusst eine Luxusstrategie: Mercedes baut weniger Autos, verkauft sie aber teurer. Unterm Strich steht deshalb dennoch ein stattlicher Gewinn.Und VW hat die Produktion des ID.4 in Emden gedrosselt, im Werk Zwickau soll eine Schicht wegfallen. Die Auftragseingänge für E-Autos liegen je nach Modell um bis zu 70 Prozent unter den Planungen.Dabei würden die derzeit hohen Zulassungszahlen über die tatsächlichen Probleme hinwegtäuschen, sagt Peckruhn. Noch jedenfalls. Im Winter aber sei der übrige Auftragsbestand abgearbeitet. Dann könnten die Hersteller ihre hohen Preise nicht mehr halten. "Die Party ist vorbei, bei Neuwagen genauso wie bei Gebrauchten", sagt Peckruhn.Aber woher kommen diese Probleme?Schwierige Transformation zum E-AutoZwar steigt die Nachfrage nach Elektroautos deutscher Hersteller – aber viel stärker bricht die Nachfrage nach Verbrennern ein:Von Januar bis Mai 2019 verkaufte VW in Europa knapp 770.000 neue Verbrenner. 2023 waren es im selben Zeitraum nur noch knapp 445.000 Benziner und Diesel – ein Rückgang von rund 42 Prozent.Bei Mercedes gingen die Verbrennerzulassungen um fast 50 Prozent zurück.Um diesen Rückgang zu kompensieren, müssten sie deutlich mehr Stromer verkaufen. Danach sieht es aber nicht aus: "Wir erwarten in den nächsten Monaten eine stärkere Abflachung des Wachstums bei Elektroautos. Für das Jahr 2024 kann auch ein Rückgang der Marktanteile nicht ausgeschlossen werden", sagt Branchenkenner Ferdinand Dudenhöffer dem "Handelsblatt".Der "Havanna-Effekt"Hohe Inflation, hohe Zinsen, hohe Preise für Neuwagen dämpfen die private Nachfrage. Dadurch werden die Autos auf unseren Straßen immer älter – ähnlich wie auf Kuba, wo noch heute viele Autos aus den 1950er- und 60er-Jahren zum Alltagsbild gehören. Viele Kunden behalten lieber ihr altes Auto, als ein neues zu kaufen. In der Branche spricht man deshalb vom "Havanna-Effekt".Der Druck von außen wächstHinzu kommt der zunehmende Druck von Tesla und aus China. Prognosen von Automobilzulieferern zeigen, dass bis 2027 bereits fünf bis sieben Millionen chinesische Elektroautos in der EU und Großbritannien zugelassen sein könnten. Ein großer deutscher Zulieferer geht sogar von acht Millionen aus. Zehn Werke europäischer Hersteller wären dann überflüssig, sagt eine Führungskraft des Zulieferers dem "Handelsblatt".Ein Standort wäre davon besonders betroffen: Deutschland. VW und Audi produzieren hier rund 60 Prozent aller in Europa gefertigten Autos (Mercedes: 79 Prozent, BMW: 97 Prozent).Die Partystimmung wird wohl nicht so schnell zurückkehren.