"Noch nie so still": Mann erschießt drei Menschen in Langweid
Ein Dorf steht unter Schock: Nachdem ein 64-Jähriger wohl drei Menschen ermordet hat, hält Langweid inne. Anwohner beobachten das Geschehen und rätseln.Drei Menschen sind tot, zwei verletzt, einer in Haft, und die Nachbarn stehen auf ihren Balkonen, obwohl die Sonne nicht scheint. Wenige Stunden danach hängt die Bluttat im bayerischen Langweid wie die Wolken schwer und grau über dem Dorf. Ist das alles wirklich passiert, ist eine der Fragen, die in der Luft hängen. Wie konnte ein Nachbarschaftsstreit so eskalieren? Und wie geht es jetzt weiter?So richtig beantworten kann das gerade niemand. "Ich kann nichts sagen, ich bin überfordert", sagt eine Frau, die ebenfalls in der Schubertstraße wohnt bei einem Besuch von t-online. Hier, gut eine Viertelstunde nördlich von Augsburg, hat am Vortag ein 64-Jähriger drei Menschen erschossen, die im selben Haus wohnten, und zwei weitere Personen angeschossen und verletzt. Und plötzlich war hier alles voll: Polizisten, Reporter, Schaulustige, sie alle kamen in die ruhige Wohngegend. Nun sind die meisten wieder weg, und die Nachbarn müssen eine Nacht mit wenig Schlaf verarbeiten.Nach Verbrechen in Bayern: Treffen der Langweider auf ihren BalkonenOhne ihr Zuhause zu verlassen, treffen sie sich, kommen zum Rauchen vor die Haustür, lehnen sich ans Geländer ihres Balkons oder schauen aus dem Fenster. Darüber reden müsse man ja, sagen die Nachbarn. Das helfe. "So etwas hat man hier sonst nie", erzählt eine Frau wenig überraschend. Ein anderer grantelt etwas über die Polizei.Als die Tat noch gar nicht richtig vorbei gewesen sei, wollte er noch einkaufen gehen, sagte er. Die Beamten hätten ihn nicht gewarnt. "Der hätte ja noch herumlaufen können, wer weiß", sagt er. "Nein, die hatten ihn gleich", bekommt er zur Antwort. Ja, man kannte die Beteiligten, die Toten, den Verdächtigen. In der Straße sei das so, alle wohnten seit Jahren hier.Langweid liegt am Lech, die Gemeinde hat rund 9.000 Einwohner. Bahnlinie und Bundesstraße von Augsburg nach Nürnberg laufen rechts und links am Dorf vorbei, die örtlichen Tischtennis-Damen standen einmal im Champions-League-Finale, das Wasserkraftwerk gehört zum Weltkulturerbe. Und jetzt ist mit dem Ort noch eines der schwersten Verbrechen der vergangenen Jahre in Bayern verbunden.Bekannter sagt: Die Polizei war schon öfter in LangweidWas man hier schnell merkt: Bedarf zu reden haben viele. Aber man schaut auch skeptisch auf den Trubel, der seit gestern ausgebrochen ist. Mit Namen genannt werden wollen die wenigsten. Dass sie Nachbarn sind, das dürfe man schreiben, sagen sie, und das mit den Gesprächen auf den Balkonen auch, einen Balkon habe hier schließlich fast jedes Haus. Nur dass im Dorf jetzt auch noch über das geredet wird, was man der Presse gesagt hat, das müsse nicht sein.Am Tathaus blockieren Kleintransporter und Autos die Straßen durchs Wohngebiet, zwei Autos müssen an einer Engstelle warten, als ihnen ein anderes Fahrzeug entgegenkommt. Sofort beginnt einer der beiden zu hupen – Lärm, der hier im Wohngebiet verpönt ist. Doch nun ist die Lage angespannt, der Geduldsfaden kurz. Eine Flagge des FC Augsburg hängt schwer wie Blei an ihrem Fahnenmast auf dem Grundstück gegenüber, obwohl sie nicht auf halbmast weht, wirkt sie an diesem Tag wie Trauerbeflaggung. Eine andere Nachbarin telefoniert auf dem Balkon, ihre Augen sind gerötet, sie hält sich die Hand vors Gesicht.Der Verdächtige sei ihm als hilfsbereit und nett aufgefallen, schildert Thomas Kleizinski im Gespräch mit einem Blaulichtreporter. Er ist am Tag nach der Tat zu Besuch im Tathaus, kannte alle Beteiligten. Sein Onkel, um den er sich nun kümmere, wohne hier, sagt Kleizinski. "In diesem Haus gibt es schon jahrelang immer mal Streitigkeiten", berichtet er. Die Polizei sei bereits häufiger vor Ort gewesen. Der Auslöser: meist Kleinigkeiten wie Lärm oder Streit um Mülltonnen. Dass daraus eine solche Tat entstehen kann, mag man kaum glauben. Der Verdächtige soll eine Waffenlizenz besessen haben, berichtet die "Augsburger Allgemeine". Kleizinski nennt die Tat einen "Ausraster". Die Polizei hat auf eine Anfrage von t-online zu Kleizinskis Angaben bislang noch nicht reagiert.Wie man in Langweid über die Bluttat am Freitag sprichtIn der örtlichen Bäckerei ist man überrascht, dass die Vorfälle vom Abend zuvor kein größeres Thema sind. Eine Verkäuferin erzählt im Gespräch mit t-online, dass sie damit gerechnet hätte, dass es heute kein anderes Thema gebe. Auch sie will nicht, dass ihr Name genannt wird, schließlich wisse sie noch gar nicht, wer genau die Toten und der mutmaßliche Täter sind. Aber es seien einige Namen am Morgen kursiert.Doch zum ersten Mal aufgekommen sei das Thema im Gespräch mit den Kunden erst am späteren Vormittag, schildert sie. Sie glaubt, dass viele Leute aus dem Ort heute lieber zu Hause bleiben. "Einer kam vorbei und meinte: 'Man hat Langweid noch nie so ruhig gesehen'", sagt sie. Sonst seien die Leute im Dorf unterwegs, hier beim Bäcker, bei der Sparkasse oder den anderen kleinen Geschäften der Umgebung.Heute aber sei es ruhig, und wenn Kunden kämen, dann vor allem aus den umliegenden Dörfern. Die Langweider müssen die Tat offenbar noch verdauen. Denn so etwas, das sagen sie fast alle, mit denen man hier spricht, kommt hier sonst nie vor.