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Drama an der Grenze zu Polen | Bundespolizei: "Wir arbeiten am Limit"

In einem kleinen Ort in Brandenburg zeigen sich die großen Probleme der Flüchtlingspolitik. t-online hat eine Frühschicht der Bundespolizei an der polnischen Grenze begleitet. Aus Forst (Lausitz) berichten Tom Schmidtgen (Text) und Nicolas Lindken (Kamera)An einer Hecke zu einem Kleingarten stehen 19 junge Männer. Zwei von ihnen sind besonders jung: der eine erst 12, der andere 16 Jahre alt. Die Männer sind dünn angezogen, stehen aufgereiht im Laub. Niemand hat Gepäck dabei, kein Rucksack, kein Koffer in der Hand, lediglich ein paar Wasserflaschen.Die Bundespolizei hat die nach eigener Aussage jungen Syrer in Forst (Lausitz) nur wenige Hundert Meter von der polnischen Grenze entfernt an einer Allee aufgegriffen. Insgesamt wird die Polizei in der knapp achtstündigen Frühschicht 60 Personen im Süden Brandenburgs aufgreifen, darunter sechs unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Der Jüngste war nur zehn Jahre alt. An der polnischen Grenze spielt sich ein Drama ab. Hier in Forst, einer Kreisstadt mit 20.000 Einwohnern, zeigt sich exemplarisch sowohl die Belastung der Bundespolizei als auch das Leid der Geflüchteten. Eindrücke von dem Einsatz sehen Sie im Video oben oder hier."Wir arbeiten am Limit"In den vergangenen Wochen sind immer mehr Menschen angekommen. Ein Tag mit mehr als 100 Aufgriffen sei mittlerweile Normalität, sagt Polizeisprecher Jens Schobranski. Aktuell kommen doppelt so viele Menschen wie im Hochsommer an. "Was wir gerade an der polnisch-deutschen Grenze erleben, ist sehr fordernd. Wir arbeiten am Limit." Bis November werden weiterhin viele Menschen ankommen, erst dann gehen die Zahlen aller Voraussicht nach wegen des Winterwetters zurück. Einer der jungen Syrer am Gartenzaun spricht etwas Deutsch. "Ich liebe Berlin. Mein Bruder wohnt in Berlin", sagt Murhaf. Die gesamte Gruppe komme aus Syrien, erklärt der 23-Jährige. Er trägt eine beigefarbene Mütze, eingenäht die Buchstaben: NYC – die Initialen von New York City. Auf seinem schwarzen Pullover steht "Wake me for Champagne" (zu Deutsch: Weck mich auf für Champagner)."Wir waren alle in einem großen Auto ohne Fenster." So beschreibt Murhaf den letzten Abschnitt der Fluchtroute. Insgesamt 10.000 Euro hat er für seine Flucht aus Homs nach Deutschland bezahlt. In seiner Heimat habe er Psychologie studiert. Im Transporter ohne Fenster an die deutsche GrenzeEin anderer heißt Ahmed, 30 Jahre alt. Er erzählt, sie hätten nur wenig zu essen und trinken bekommen. "Seit drei Tagen gab es nur einen Apfel und eine Banane", sagt er auf Englisch. An diesem Morgen habe er nur eine kleine Wasserflasche bekommen. Zehn Stunden saßen sie in dem Transporter. Offenbar fuhren sie in der Slowakei los – und durch bis zur deutschen Grenze.Die gesamte Gruppe soll in einem Transporter bis zur Grenze gebracht worden sein. "Die Geschleusten stehen oft wie eine Ölsardine in der Büchse, ohne Fenster und wissen gar nicht, von wo nach wo sie fahren", sagt der Polizeisprecher. Erst kürzlich habe man einen Transporter mit mehr als 55 Personen aufgegriffen. An der grünen Grenze hat der Schleuser die Syrer vom Gartenzaun mutmaßlich entlassen und ist schnell weggefahren, die Polizei hat ihn bisher nicht aufgegriffen. Über eine Eisenbahnbrücke konnten sie wohl nach Forst laufen. So schildern es einige aus der Gruppe, das decke sich auch mit den Erfahrungen, sagt ein Polizist.Murhaf wird zu WK17Die rostige Stahlbrücke liegt flach über der Wiese und überquert den Grenzfluss Neiße. Ein Grenzstein in Schwarz-Rot-Gold steht auf dem Brückenfundament. Auf der anderen Seite erkennt man einen Grenzstein in Rot-Weiß, der Flaggenfarbe Polens. Eine Seite der Eisenbahnbrücke wird nur unregelmäßig von Güterzügen befahren, die andere wurde stillgelegt. Es wirkt wie ein idealer Ort, um erst einmal unbemerkt nach Deutschland zu kommen.Zurück am Gartenzaun: Die Männer bekommen ein gelbes Bändchen ums Handgelenk mit einer Nummer als erste Identität. Murhaf, der junge Syrer, der etwas Deutsch spricht, heißt für die Beamten nun erst einmal WK17. Jede aufgegriffene Gruppe erhält eine Buchstabenkombination, hier WK. Danach wird jede Person durchnummeriert.Die Syrer werden von der Polizei durchsucht, sie müssen erst einmal ihre Handys und Gegenstände abgeben, die sie bei sich tragen. Diese werden in durchsichtige Zipbeutel verstaut. Einer hat einen syrischen Pass dabei.Die Männer sind für die Polizei bis zum Asylersuchen erst einmal Straftäter. Sie sind unerlaubt ins Land eingereist, werden auf der Polizeiinspektion befragt und angezeigt. "Keine der Personen war im Besitz von aufenthaltslegitimierenden Dokumenten", schreibt die Bundespolizei in einer Pressemitteilung. Sprich: Niemand hatte ein Visum. Wer Asyl beantragt – und bewilligt bekommt – hat meist keine Strafe zu befürchten. "Der ganz große Teil formuliert ein Schutzersuchen", sagt Polizeisprecher Jens Schobranski. "Unser Hauptziel ist es, an die Schleuser und die Hintermänner zu kommen." Sobald die Flüchtlinge befragt wurden, kommen sie in die Ersteinrichtung.Bei der Durchsuchung fällt den Beamten ein Mann mit einem roten Auge auf. Was passiert sei, fragt ein Polizist auf Türkisch. Er sei geschlagen worden von der serbischen Polizei, antwortet der Mann. Er zieht seinen Ärmel hoch und zeigt eine Wunde. Ein Polizist übersetzt für seine Kollegen von Türkisch auf Deutsch.Mehr Menschen kommen über die BalkanrouteWenig Essen, stundenlanges Ausharren in einem Wagen ohne Fenster, Schläge von Polizisten: Die jungen Männer schildern Fürchterliches über ihre Flucht. Einige deutsche Polizisten erzählen, das seien typische Geschichten von der Flucht. Dafür zahlen die Syrer Tausende Euro. Am Ende sind sie entkräftet, aber froh, in Deutschland zu sein. Nach dem Aufgriff geht die Schleierfahndung weiter für die Streife. "Ein Schleuserfahrzeug erkennt man, wenn man es sieht", sagt ein Polizist. Immer wieder kontrollieren sie Lkw und Transporter im Forster Umland. Auf einer schmalen Landstraße kommt ihnen ein weißer Transporter entgegen, im Führerhaus sitzen drei Männer. Die Polizisten halten den Wagen an, nach wenigen Sekunden ruft einer: "Entwarnung: War nur ein Möbellieferant!" So einfach ist es dann doch nicht.Grob führen zwei Fluchtrouten nach Deutschland: Seit knapp zwei Jahren fliegen Russland und Belarus Syrer ein und schicken sie an der belarussischen Grenze nach Polen. "Bis zum Sommer kam ein guter Anteil der Menschen über diese Route", erklärt Schobranski. "Häufig beginnt die Flucht in Moskau. Wenn die Menschen Einreisedokumente dabei haben, sehen wir oft einen russischen Einreisestempel."Mittlerweile überwiege wieder die sogenannte Balkanroute. Sie führt über die Türkei und Rumänien nach Polen. Die Zahlen übertreffen jeden Monat die Zahlen aus dem vergangenen Jahr. Im September sind mehr als 2.000 Menschen über die polnische Grenze illegal eingereist – neuer Spitzenwert in diesem Jahr.Die Neiße ist nur knöcheltiefDie Zahl der Geflüchteten steigt – und auch die Bundespolizei schickt mehr und mehr Personal an die deutsche Ostgrenze. Wie viel mehr Polizisten es genau sind, will die Bundespolizei aus strategischen Gründen nicht verraten. Der Sprecher spricht von "erheblich mehr Personaleinsatz".Am Montag kündigte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) neben der Schleierfahndung im Grenzbereich auch stationäre Grenzkontrollen an. Nun können Bundespolizisten Menschen an der Grenze zurückweisen, wenn sie kein Schutzersuchen stellen. Hier in Forst patrouillieren die Beamten weiter an der grünen Grenze – und unter anderem an einer Fußgängerbrücke in Zelz. An der Böschung der Neiße stehen fünf Bundespolizisten – und warten. Ein Mann auf Rollski kommt von polnischer Seite über die Neißetalbrücke, grüßt auf Deutsch – erkennbar mit polnischem Akzent. Die Polizisten lassen ihn passieren.Nicht nur für die Geflüchteten wird das südliche Brandenburg ein fremder Ort sein, viele Bundespolizisten werden Ähnliches fühlen: Die fünf Polizisten sind eigentlich am Flughafen von Frankfurt am Main im Einsatz. Für eine Woche sind sie als Verstärkung nach Forst entsandt worden. "Die Kräfte fehlen an den Orten, aus denen sie kommen", sagt Schobranski. "Außerdem ist das ein Kostenfaktor, weil wir die Kräfte in Hotels unterbringen müssen."Nun stehen fünf von ihnen an einer schmalen Brücke und überblicken die Neiße, die an der Stelle nur knöcheltief ist. In ihrer Schicht sei noch kein Flüchtling gekommen, erzählen sie.