"Blutbad"-Aufregung in den USA: So gehen wir Trump in die Falle
Mit einfachsten Mitteln schafft es Donald Trump, uns Medien vorzuführen. Das hat seit Jahren Methode. 2024 sollten gerade wir eigentlich deutlich klüger sein. Bastian Brauns berichtet aus Washington Zur politischen Kernpropaganda Donald Trumps gehört folgende Erzählung: Die medialen und politischen Eliten im Land würden gezielt Falschinformationen über ihn verbreiten, um ihn schlechtzumachen. Schnell und billig lässt sich diese Behauptung über die angeblichen "Fake News" herstellen. Bei seinen Anhängern verfängt sie außerordentlich erfolgreich. Und viel zu oft tragen wir Medien eine Mitschuld. Die Folge ist Trumps Triumph. Ein Musterbeispiel dieser Dynamik ist am vergangenen Wochenende geschehen: Donald Trump sprach bei einem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat Ohio. Einen Teil seiner Rede widmete er der wichtigen amerikanischen Automobilindustrie , beziehungsweise den vielen Arbeitsplätzen in diesem Sektor. Trump baute eine Drohkulisse auf, wonach Chinas aggressive Wirtschaftspolitik amerikanische Jobs in der Autoindustrie vernichten würde. Mit seinen "Monsterfabriken" in Mexiko würde Chinas Präsident Xi Jinping darauf hoffen, den US-Markt mit chinesischen Autos zu überschwemmen, so Trump. Sollte er wieder Präsident werden, würde er solche Autoimporte in die USA mit "100 Prozent Zöllen" belegen, sagte Trump. Wenn er gewählt würde, könnte China darum "diese Autos nicht mehr verkaufen". Und dann schnappte Trumps rhetorische Falle zu, in die weite Teile der amerikanischen Medien tappten. Wenn er hingegen nicht gewählt würde, "dann wird es ein Blutbad geben", sagte Trump. Er wiederholte es: Es würde mindestens in einem Blutbad für das Land enden. Dazu muss erklärt werden: Im Englischen ist der Begriff "bloodbath" zwar martialisch, aber doppelt besetzt. Einerseits bezeichnet er eine tatsächliche Gewalttat. Andererseits aber wird er ökonomisch verwendet, um etwa ein besonders drastisches Szenario von Job-Vernichtung zu beschreiben. Verkürzt für schnelle Klicks Doch sofort sprangen viele Fernsehsender und Onlinemedien fast ausschließlich auf dieses Schlagwort an und packten es oft extrem verkürzt in ihre Schlagzeilen. "Trump sagt Blutbad voraus, sollte er verlieren", titelte etwa die "New York Times". Aber auch wir bei t-online titelten "Irritierende Aussagen: Trump prophezeit 'Blutbad' bei Niederlage". Für Leserinnen und Leser ohne Kenntnis von Trumps Rede in Ohio war diese Überschrift mit Sicherheit ein sogenannter "Klickanreiz". Denn die wahrscheinliche Lesart dieser "Blutbad-Zeile" lautete: Trump wird eine Niederlage in diesem Herbst wie schon 2020 nicht akzeptieren und kündigt bereits jetzt auf schockierende und martialische Weise Gewalt an. Zugespitzt formuliert, wurde der Eindruck erweckt: Trump will Demokraten niedermetzeln. Auch das Wahlkampfteam von Joe Biden und Kamala Harris riss Trumps Zitat aus dem Zusammenhang und nahm es als Beleg dafür, dass er zu politischer Gewalt aufrufen und einen weiteren 6. Januar, also einen erneuten Sturm auf das Kapitol, herbeiführen wolle. Es gibt genug Anlass zur Kritik Zur Wahrheit gehört: Zeilen wie die in der "New York Times" sind nicht falsch. Trump hat diese drastischen Worte gewählt. Zur Wahrheit gehört aber auch: Das macht sie noch lange nicht richtig. Ohne Kontext werden Millionen von Lesern und Zuschauern auf eine falsche Fährte geführt. Und noch viel schlimmer daran: Erfolgreich können Trump und seine Anhänger jetzt jene Medien und auch die Demokraten vorführen und ihnen eben jenen Vorwurf machen, den sie so erfolgreich seit Jahren züchten: "Fake News", "Die Medien lügen", ... Das Absurde an dieser Dynamik ist: Es gibt ja unzählige andere Beispiele, weshalb wir Medien zu Recht vor Donald Trump warnen sollten. Zu Recht muss angesichts vieler gewaltbereiter Anhänger darauf hingewiesen werden, dass der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten Gewalt herbeiredet. Indem er ein so düsteres Bild Amerikas zeichnet, dass unter Joe Biden angeblich nur der Untergang bleibt, weckt er die niedersten Instinkte der Menschen. Indem er seine Lüge von der gestohlenen Wahl weiterhin pflegt, züchtet er wie schon 2020 eine Wut, die sich jederzeit in Gewalt entladen kann. In seiner Rede von Ohio gab er viel Anlass für Kritik. Trump wiederholte etwa sein Versprechen, die verurteilten Straftäter, die am 6. Januar 2021 das US-Kapitol gestürmt hatten, zu begnadigen. Mehr noch, wie bei vielen seiner Auftritte ließ er die amerikanische Nationalhymne ausgerechnet von eben diesen Gefangenen vom Band vorsingen . Trump verharmlost und rehabilitiert damit seine gewaltbereiten Anhänger ganz gezielt. Bei seiner Rede wiederholte er dann noch seine faschistoide Aussage, illegale Einwanderer würden "das Blut" der Amerikaner "vergiften". "Einigen Migranten" sprach er dazu noch das Menschsein ab. Später bezeichnete er sie als "Tiere". Die Reihe menschenverachtender, verstörender und demokratiegefährdender Aussagen ließe sich noch weiterführen. Ausgerechnet Trumps "Blutbad"-Begriff sollten wir Medien also nicht als ersten Beleg für seine Gefährlichkeit heranziehen. Auch, wenn er noch so schön in eine Überschrift passt. Wir gehen Donald Trump damit genau in die Falle, die er uns täglich stellt. Das ist ein Fehler, den wir nicht begehen sollten. Wir sollten uns aber auch nicht zu lange mit uns selbst beschäftigen, sondern uns an die Arbeit machen. Propagandisten erfordern unsere ganze Präzision. Wir sollten dabei nicht naiv sein: Trump und der Populismus überall in der Welt werden immer versuchen, unsere Rolle als Medien zu verunglimpfen. Aber gerade deshalb müssen wir uns zwingen, unsere Arbeit so gut und so redlich wie möglich zu machen.