Klima | Treibhausgas-Bericht: Kommen jetzt Fahrverbote?
Der Expertenrat der Bundesregierung hat seinen Prüfbericht vorgelegt. Dieser bestätigt erneut, dass der Verkehrssektor seine Klimaziele verfehlt. Doch was ist die Konsequenz? 13 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, so viel wie schätzungsweise 8,7 Millionen Berufspendler im Jahr verbrauchen: Das ist der Wert, um den der Verkehrssektor sein Klimaziel verfehlt hat. Der Expertenrat der Bundesregierung bestätigte am Montag die entsprechende Auswertung des Umweltbundesamts. Mehr zum Prüfbericht lesen Sie hier . Der Bilanz zufolge stehen fast alle anderen Sektoren positiv da. Lediglich der Gebäudesektor hat ebenfalls sein Ziel verfehlt. Es wurden summa summarum im Vergleich zum Jahr 2022 insgesamt rund 10 Prozent Emissionen eingespart. Aber wie kann der Verkehrssektor aus der Misere geholt werden? Wissenschaft und Interessenverbände haben hier klare Vorstellungen – eine Übersicht. Ist mit dem Ende der Sektoren-Ziele das Problem vom Tisch? Am Freitag drohte Verkehrsminister Volker Wissing Fahrverbote für Wochenenden an. Das gesetzte Klimaziel sei anders nicht mehr zu schaffen, so der FDP-Mann. Am Montag hat die aktuelle Novelle des Klimaschutzgesetzes dann die Hürde im Bundestag genommen, sie sieht eine Abschaffung der sogenannten Sektoren-Ziele vor . Die Klimaziele, welche der Verkehrssektor dreimal in Folge nicht einhalten konnte, wird es in dieser Form also nicht mehr geben – denn sie werden in Zukunft pauschal über die Sektoren hinweg verrechnet. Umweltklagen werden in Zukunft also nicht mehr möglich sein – jedenfalls nicht in den einzelnen Sektoren . "Der Verkehrssektor muss jetzt endlich konsequenteren Klimaschutz liefern", sagt Marie-Luise-Wolff, Expertin der Allianz für Transformation, welche die Bundesregierung bei verschiedenen Klimathemen berät, auf Anfrage von t-online. Die Abschaffung der Sektoren-Ziele hält sie für falsch. Können Fahrverbote die Lösung sein? Ein Fahrverbot, wie zuletzt von Wissing ins Spiel gebracht, hält Thorsten Koska nicht für zielführend. Er ist Co-Leiter des Forschungsbereichs "Mobilität und Verkehrspolitik" am Wuppertal Institut. "Eine Reduzierung des Verkehrs ist sinnvoll – aber nicht durch Fahrverbote, sondern durch ein Recht auf Homeoffice und durch eine Raumplanung, die kurze Wege in Städten und Regionen ermöglicht", so Koska zu t-online. Fahrverbote lehnt ebenso der "Auto Club Europa e. V." ab. In einem Statement, das t-online exklusiv vorliegt, schreibt der Verband: "Statt Schönrechnerei braucht es ernsthafte und nachhaltige Maßnahmen, die dauerhaft für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor sorgen. Dazu eignet sich beispielsweise die Einführung eines Tempolimits von 130 km/h auf Autobahnen. Auch die Elektromobilität muss in Deutschland gestärkt werden, um den Hochlauf zu beschleunigen." Für ein Tempolimit spricht sich Expertin Marie-Luise-Wolff ebenfalls aus. Denn zu einem konsequenten Klimaschutz gehöre nach Auffassung der Expertin "zuallererst die Einführung des längst überfälligen allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen". Selbst aus dem Expertenrat direkt kommt auch eine wohlwollende Stimme zum Tempolimit. "Auch das Tempolimit kommt in Betracht: Es wird von der Mehrheit der Bevölkerung gewünscht und wäre immerhin sofort wirksam", sagte Felix Creutzig vom "Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change". Creutzig ist Teil des Expertenbeirats Klimaschutz in der Mobilität, der das Verkehrsministerium berät. Tempo-Limit oder gar ein Ende des "Systems Auto"? Eine radikalere Position vertritt hingegen das Aktionsbündnis "Ende Gelände", welches sich in erster Linie gegen Kohleverstromung und für erneuerbare Energien einsetzt. "Vorschläge wie ein Tempolimit auf deutschen Straßen sind nice to have (zu Deutsch: ganz gut zuhaben), springen aber viel zu kurz. Wir sagen: Das System Auto muss weg", sagte Sprecherin "Jule" auf Anfrage. Tempolimit auf Autobahnen? Das denken die Deutschen Auch ein Umstieg auf E-Autos würde an dem "System Auto" nichts ändern, so die Aktivistin. Deshalb sollten bereits bei der Produktion die Bedürfnisse des Menschen mehr in den Fokus rücken. Es solle demokratisch entschieden werden, welche Fahrzeuge für die Mobilität benötigt werden würden und wie diese klimagerecht produziert werden könnten. "Für das Wachstum der Autoindustrie werden stattdessen weiterhin immer größere SUVs produziert", so die Kritik. Wie kann eine Emissionsreduktion funktionieren? Mit Einzelmaßnahmen werden sich die Emissionen im Verkehrsbereich nicht verringern lassen, darüber herrscht in der Wissenschaft weitgehende Einigkeit. "Um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen, müssen verschiedene Strategien miteinander kombiniert werden", gibt beispielsweise Forschungsleiter Koska zu bedenken. Der Expertenrat um Creutzig sieht "die wirksamste Instrumentenkombination für die 2030-Ziele" in einem Zusammenspiel aus CO2-Abgaben beim Kauf von Verbrennern und einem dadurch finanzierten Bonus für den Kauf von E-Autos. Creutzig spricht sich außerdem für ein Ende des Dienstwagensteuerprivilegs für Verbrenner aus. Forscher Koska sieht die Abschaffung der Steuervorteile für Dienstwagen ebenfalls als einen Schritt in die richtige Richtung und geht sogar noch weiter, indem er sich für die Abschaffung der steuerlichen Vorteile für Dieselfahrzeuge ausspricht. So würden Fehlanreize beseitigt werden und "finanzielle Mittel für die Verkehrswende frei". Öffentliche Verkehrsmittel als Lösung? Ein wesentlicher Hebel, um die Emissionen in Verkehrssektor zu senken, liegt nach Kosaks Überzeugung außerdem in der Stärkung des öffentlichen Verkehrs. "Um Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, braucht es ein dichteres Netz, mehr und verlässlichere Verbindungen und eine schnellere Digitalisierung des Schienenverkehrs." Wir brauchen kostenlosen Nah- und Fernverkehr bis in jedes Dorf, ausgebaute Fahrrad- und Fußwege und kluges Carsharing", sagt "Ende Gelände"-Sprecherin Jule. Das Aktionsbündnis bemängelt, dass die Lösungen bereits seit Jahren in den Schubladen liegen würden. Welche Maßnahmen das Verkehrsministerium in naher Zukunft umsetzen wird, bleibt abzuwarten. Auf eine Anfrage von t-online äußerte sich das Ministerium bis zuletzt nicht.