Xi Jinping in Serbien und Ungarn: China schärft seine Axt
Nach seinem Besuch in Frankreich reist der chinesische Staatschef Xi Jinping weiter nach Serbien und Ungarn. Dort sieht China die westliche Achillesferse in Europa. Eine Schwachstelle, die China für sich nutzen möchte. Es geht hoch hinaus für den chinesischen Präsidenten. Am Dienstag begleitet Xi Jinping seinen französischen Amtskollegen Emmanuel Macron in die Pyrenäen auf den Pass von Tourmalet. Der Berg ist über 2.000 Meter hoch, es fällt sogar etwas Schnee. Die beiden Politiker besuchen am Nachmittag mit ihren Gattinnen eine traditionelle Tanzvorführung. Vor dem Bergpanorama in den Pyrenäen steht im Anschluss ein gemeinsames Essen auf dem Programm. Diplomaten nennen dies den persönlichen Teil eines Staatsbesuches. Macron möchte einen intimen Rahmen schaffen, um in Gesprächen politische Brücken zwischen China und dem Westen zu bauen. Ging dieser Plan auf? Schaffte es Macron gar, Xi Jinping politisch weichzuklopfen? Daran gibt es schon am Tag danach erhebliche Zweifel. Am ersten Tag der Europareise von Xi Jinping gab es am Montag keinerlei politische Annäherung . Xi blieb stur, hielt an seinem Wirtschaftskurs und an seiner Unterstützung für Kreml-Chef Wladimir Putin fest. Macron habe immer die Vorstellung gehabt, dass seine persönlichen Beziehungen Strukturen umstoßen könnten, kommentierte ein Experte für internationale Beziehungen an der Sciences Po, Bertrand Badie, den Ausflug der Präsidenten im Sender France Info. Xi sei aber nicht wirklich ein großer Gefühlsmensch. Das ist das große Problem. China sieht sich im Ringen mit den USA um den Status der dominierenden Supermacht und Peking hat kein Interesse an einem geeinten Europa. Deswegen ist Xi nach seinem Besuch in Frankreich nach Serbien gereist, danach folgt ein Besuch in Ungarn . Beides sind Länder, die die chinesische Führung als Schwachstelle für die europäische Einigkeit sieht. Dort wird Xi andere Töne anschlagen als noch in Frankreich. Schon während er mit Macron durch die Berge spaziert, hält der chinesische Staatschef die Axt hinter dem Rücken, die Europa spalten soll. Zu Gast bei Freunden Denn nicht nur die Wahl seiner Reiseziele hat sich Xi Jinping wohlüberlegt, sondern auch den Zeitpunkt. Seine Ankunft in Serbien am Dienstagabend fällt auf den 25. Jahrestag des Nato-Bombardements der chinesischen Botschaft im damaligen Jugoslawien am 7. Mai 1999. Bei dem irrtümlichen Angriff, für den ein Ortungsfehler der CIA verantwortlich gemacht wurde, waren drei Menschen getötet worden. Peking werde "niemals zulassen", dass sich ein derartiger Vorfall wiederhole, schrieb Xi vor seiner Ankunft in Belgrad in einem Gastbeitrag für die serbische Tageszeitung "Politika". "Heute vor 25 Jahren bombardierte die Nato auf unverschämte Weise die chinesische Botschaft in Jugoslawien und tötete dabei drei chinesische Journalisten. Das sollten wir niemals vergessen." Xi lobte darin auch die "unerschütterliche Freundschaft" zwischen China und Serbien, die "mit dem Blut unserer Landsleute geschmiedet" worden sei. Während Xi also am Dienstag noch in Frankreich die großartigen chinesisch-französischen Beziehungen preist, schreibt er in einem Artikel schon von einem Blutpakt mit Serbien gegen die Nato. Diese Drohungen sind bemerkenswert, da die Nato aktuell in keinem Krieg kämpft. Vergleichbare Geschichten wiederholen sich allerdings fast täglich in der Ukraine , verursacht von Chinas strategischem Partner Wladimir Putin. Teile und herrsche Trotz dieser Logiklücken ergibt der Wechsel in der Tonalität auf der Europareise des chinesischen Präsidenten durchaus Sinn, es passt nahezu perfekt in Xi Jinpings Spielbuch. Die Volksrepublik hat vor allem die eigenen Interessen im Blick. In Frankreich wollte Xi die Spannung entschärfen, um westliche Sanktionen oder Strafzölle gegen China zu verhindern. Dabei will sich Peking aber nicht auf konkrete politische Maßnahmen einlassen. Es ist aber auch im chinesischen Interesse, dass sich Europa nicht geschlossen gegenüber China positioniert. Deswegen verfolgt Xi auf dem europäischen Kontinent eine Teile-und-herrsche-Strategie. So etwa nutzt Peking die Abhängigkeit der deutschen Autoindustrie vom chinesischen Markt, um Druck auf die Bundesregierung auszuüben. Diese Abhängigkeiten sind die Axt, die die chinesische Führung nutzt, um Europa zu spalten. In Serbien wird die Umsetzung dieser Strategie nicht besonders schwierig. Die serbische Führung und die Gesellschaft sehen nicht nur die Nato kritisch, sie stehen auch zur russischen Führung und zu Wladimir Putin. Das führt dazu, dass Serbien sich von seinen EU-Nachbarn und auch von den Nachbarländern auf dem Balkan immer weiter isoliert hat. China sieht das Land deshalb als Einfallstor nach Europa – und diese Einschätzung hat durchaus ihre Berechtigung. Serbiens Staatspräsident Aleksandar Vučić gilt als Autokrat, der die Medien kontrolliert und kritische Berichterstattung über China unterdrückt. Der serbischen Führung geht es dabei vor allem um Geld. Nach Angaben des serbischen Finanzministers Sinisa Mali geht in den Gesprächen mit Xi um ein "großes Projekt". "Wir wollen eine große Investition aus China in einem sehr vielversprechenden Bereich anlocken", sagt er dem staatlichen Rundfunksender RTS am Mittwochmorgen. China investiert in Serbien Während Russland Serbien militärisch aufrüstet, investiert China große Summen in die serbische Infrastruktur. Mit einem großen chinesischen Kredit von 3,2 Milliarden Euro baut Serbien 5.000 Kilometer Kanalisation und 159 Kläranlagen, denn bisher verfügt nicht einmal die Hauptstadt Belgrad über eine Abwasseraufbereitung. Außerdem betreiben die Chinesen gleich mehrere Unternehmen: ein riesiges Stahlwerk im Zentrum des Landes, eine Schmelzanlage samt Kupfermine im Osten und eine Reifenfabrik im Norden Serbiens. Diese Strategie ist nicht neu: China schafft wirtschaftliche Abhängigkeiten und verspricht sich im Fall Serbiens politische Gefolgschaft. Kontrolle durch Handel. Der Balkan wurde von der Europäischen Union viele Jahre vernachlässigt und das öffnet China nun Türen. Sollten chinesische Investitionen zu mehr Wohlstand in Serbien führen, könnte das – so zumindest das Kalkül in Peking – auch andere Länder auf dem Balkan in die Arme der Volksrepublik treiben. Zumindest in Bezug auf Serbien scheint der Plan von Xi Jinping aufzugehen. Bei seinem Besuch in der serbischen Hauptstadt am Mittwoch sind überall chinesische Flaggen zu sehen, auf Anzeigetafeln an Straßen winkt Xi Jinping den Autofahrern entgegen. Vučić bekräftigte vor dem Besuch noch einmal in einem Interview: "Taiwan ist China – und Punkt." Damit stellt sich Serbien im geopolitischen Streit um die Inselrepublik klar hinter Xi. Das zeigt, wie sehr das Land schon im chinesischen Fahrwasser schwimmt. Ungarn wird zum trojanischen Pferd Der Reiseplan des chinesischen Präsidenten legt auf jeden Fall nah, dass er die Bündnisse in Europa stärken möchte, von denen er sich einen Mehrwert verspricht. Während in Serbien noch gegen die Nato gewettert wird, reist er danach weiter nach Ungarn. Die chinesisch-ungarischen Beziehungen sind für den Westen noch gefährlicher als der chinesische Einfluss auf Serbien. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán gilt in diplomatischen Kreisen als "Panda-Umarmer", eine Umschreibung für die Freunde Pekings. Ungarn ist Mitglied der Nato sowie der Europäischen Union und Orbán hat in der Vergangenheit oft gezeigt, dass er nicht davor zurückschreckt, Entscheidungen zu blockieren. Darauf setzt Peking. Xi muss nicht mit allen europäischen Staaten gut auskommen, es reicht machtpolitisch, einige wenige zu kontrollieren, um Maßnahmen gegenüber China abzuwenden. Orbán und Ungarn könnten somit für Peking zum trojanischen Pferd im Westen werden. Der ungarische Machthaber regiert autokratisch, war erst im Oktober 2023 zum Seidenstraßen-Gipfel nach China gereist und zeigte dort keinerlei Berührungsängste zu Xi und Putin. Im Gegenteil. Die ungarische Führung sucht die Nähe zu China und Russland. Weitgehend unbemerkt von der europäischen Öffentlichkeit hat die ungarische Führung im Februar ein neues Abkommen mit Peking geschlossen, das eine "Zusammenarbeit in Justiz- und Sicherheitsfragen" vorsieht. Vieles deutet darauf hin, dass es Chinas Sicherheitskräften ermöglichen könnte, ihre Überwachung auf die EU auszudehnen – aus Ungarn heraus. Ungarn verspricht sich von diesem Kurs weniger politische Widerstände. Während die EU Subventionen für Ungarn in jüngster Vergangenheit eingefroren hat, gibt es aus Peking keine Vorbehalte, sollte der ungarische Staatschef weiter demokratische Strukturen im Land abbauen. Aber auch Orbán geht es vor allem um chinesische Investitionen. So plant China in Ungarn mehrere Milliardenprojekte, darunter eine Eisenbahnlinie, Fabriken für die E-Auto-Industrie und einen Campus der Shanghaier Eliteuniversität Fudan. Wenn chinesische E-Autos in Ungarn produziert werden, könnte der europäische Markt nicht mehr durch Zölle geschützt werden – und das bedroht vor allem auch die deutsche Autoindustrie. Im Kern lockt China also vor allem mit Geld und warmen Worten. Doch egal, ob in Frankreich, in Serbien oder in Ungarn, eines macht die Europareise von Xi Jinping klar: China hat einen klaren Kurs, um sich auf dem europäischen Kontinent mehr Einfluss zu verschaffen. Es ist ein Plan, den Xi Jinping verfolgt, ohne Kompromisse einzugehen.