Gelsenkirchen/Essen: Mädchen (15) nicht entführt – Polizei klärt auf
In Essen ging ein Mädchen zur Polizei und erzählte eine Horror-Geschichte: Zwei Männer mit arabischem Akzent hätten sie missbraucht. Doch: Es war alles nur ausgedacht. Die Meldung machte Schlagzeilen, im Netz fiel sie auf fruchtbaren Boden und wurde in rechten Kreisen begierig verbreitet. Nun wird klar: Sie stimmt nicht. Am Donnerstag hatten die Beamten mitgeteilt, dass eine 15-Jährige am Mittwoch in Essen auf einer Wache aufgetaucht sei und erzählt habe, dass sie an einer Bushaltestelle in Gelsenkirchen von zwei vermummten Männern in einen weißen Transporter gezerrt worden sei. Die Männer hätten Deutsch mit arabischem Akzent gesprochen und hätten sie nach einer Irrfahrt in ein Haus an einem ihr unbekannten Ort gebracht. Dort sei sie Opfer sexueller Gewalt geworden. Anschließend hätten die beiden unbekannten Gewalttäter sie nach einer erneuten Fahrt in Essen auf der Hollestraße aus dem Auto gelassen. Polizei: 15-Jährige verwickelte sich in Widersprüche Am Freitag nun die Wende: Wie die Beamten mitteilten, stimmt die von der Jugendlichen erzählte Geschichte nicht. "Ermittlungen haben ergeben, dass es zu keinem Sexualdelikt oder einer anderen Straftat zum Nachteil der Jugendlichen gekommen ist", heißt es in einer Mitteilung. "Somit bestand zu keinem Zeitpunkt Gefahr für die Bevölkerung durch flüchtige, unbekannte Tatverdächtige." Das Mädchen habe sich im Laufe der Ermittlungen in Widersprüche verwickelt, sagte eine Polizeisprecherin t-online. Ob jetzt gegen das Mädchen wegen Vortäuschen einer Straftat ermittelt werde, werde derzeit geprüft. Falschmeldung schlägt große Wellen in rechten Kreisen Wieso die Beamten am Donnerstag dennoch mit der Meldung erst einmal an die Öffentlichkeit gegangen waren, erklärte sie so: Zunächst habe das Mädchen durchaus glaubhaft gewirkt. Zudem sei es wichtig, bei einem solchen Verbrechen "so schnell wie möglich die mutmaßlichen Täter zu ermitteln" – bevor diese möglicherweise noch einmal eine ähnliche Tat begehen. Die Falschmeldung wurde teilweise von reichweitenstarken, rechten Accounts in den sozialen Medien verbreitet. Anders als die Polizei und seriöse Medien sprachen diese allerdings nicht von einem Verdacht, sondern erweckten den Eindruck einer Tatsache. Hundertausende User bekommen Fake-News vorgesetzt So ging unter anderem der Buchautor und Podcaster Julian Adrat vor, der erst im April wegen Volksverhetzung verurteilt worden war. Er instrumentalisierte den Zeugenaufruf der Polizei und fragte polemisch: "Wird sich ein linker Politiker bestürzt zeigen? Nein, und mich beschleicht fast der Verdacht, dass sie sich freuen, wenn Einheimische unter der Zuwanderung leiden." Bis zum frühen Freitagnachmittag wurde sein Beitrag mehr als 130.000 X-Usern angezeigt, er erhielt mehr als 4.000 Likes, mehr als 1.000 Menschen verbreiteten den Post weiter. AfD verbreitet die Lüge mit Ähnlich erfolgreich war ein Beitrag des Bloggers Miró Wolsfeld, der einen Artikel der "Bild"-Zeitung teilte und dabei in der Überschrift das Wort "Männer" durchstrich und groß und rot durch "Araber" ersetzte. Wolsfeld bezeichnet sich laut der rechtsradikalen Zeitung "Junge Freiheit" selbst als einen "libertären 'Rechtsfluencer'". Es gehe ihm darum, "Migration und Ausländerkriminalität auf das Wesentliche zuzuspitzen" – und dies, wie sich nun erweist, offenbar komplett unabhängig vom Wahrheitsgehalt. Die Lüge erreichte auch den Bundestag: Der AfD-Abgeordnete Malte Kaufmann veröffentlichte ebenfalls ein Video zu dem vermeintlichen Vorfall. Er lud es hoch, nachdem die Polizei die Fahndung bereits zurückgenommen hatte.