Volkswagen: Deal mit E-Auto-Bauer Rivian – löst das die Software-Probleme?
Volkswagen holt sich Unterstützung: Gemeinsam mit Rivian soll die Produktion von E-Autos vorangetrieben werden. Damit will der Wolfsburger Konzern ein großes Problem lösen. Monatelang wurde verhandelt, wie Insider berichten. Am vergangenen Dienstag war die Überraschung dann perfekt: Volkswagen hat einen Deal mit dem US-Elektroauto-Start-up Rivian geschlossen. Für ein gemeinsames Software-Unternehmen nimmt der Wolfsburger Konzern fünf Milliarden US-Dollar in die Hand. Vor dem Deal hatten beide Unternehmen auf strikte Geheimhaltung geachtet. Dass dies geglückt ist, erstaunt sogar Rivian-Chef Robert "RJ" Scaringe. "Ich denke, es ist an sich schon eine Leistung, dass nichts durchgesickert ist, wenn man bedenkt, wie viel Arbeit bereits geleistet wurde und wie viele Menschen in unseren Teams daran beteiligt sind", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Doch was macht den Zusammenschluss so außergewöhnlich? Ende für jahrelange Software-Probleme Der Grund liegt in Volkswagens Vergangenheit: Jahrelang hatte VW Probleme mit Softwaretochter Cariad. Damit soll es nun vorbei sein. Cariad war ein Projekt des früheren VW-Chefs Herbert Diess mit dem ambitionierten Ziel, nicht nur den eigenen Konzern mit Software zu versorgen, sondern perspektivisch auch andere Autobauer zu beliefern. Stattdessen gab es immer wieder Berichte über Verzögerungen. Um zu verhindern, dass sich auch für die Fahrzeuge ab 2028 die Software verzögert, hat der aktuelle VW-Chef Oliver Blume sich einen neuen Partner gesucht – und nun auch gefunden. Rivian, das als Tesla-Konkurrent gilt, wurde 2009 gegründet. Hauptsitz ist in Plymouth im US-Bundesstaat Michigan . Einer größeren Öffentlichkeit wurde das Unternehmen im Jahr 2021 durch einen rekordverdächtigen Börseneinstieg bekannt. Obwohl das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt erst rund 100 Fahrzeuge ausgeliefert hatte, brachte der Börsengang 11,9 Milliarden US-Dollar Kapital ein. Mittlerweile bietet Rivian zwei E-Auto-Modelle an, einen SUV und einen Pick-up, und hat für Amazon einen elektrischen Lieferwagen entwickelt. Ein finanzstarker Partner dürfte dennoch aufatmen lassen. Denn die Produktionskosten der Fahrzeuge übersteigen die Verkaufspreise deutlich: Obwohl ein Fahrzeug von Rivian im vergangenen Jahr rund 80.000 US-Dollar kostete, machte das Unternehmen damit rund 30.000 US-Dollar Verlust. In anderen Worten: Im vergangenen Quartal lieferte das Unternehmen knapp 13.600 E-Autos aus. Damit machte Rivian zwar einen Umsatz von 1,2 Milliarden US-Dollar, aber auch einen Verlust von 1,45 Milliarden US-Dollar. Insgesamt hat das Unternehmen bislang noch keine schwarzen Zahlen geschrieben. VW erhält Beteiligung Volkswagen bringt also das Geld mit und liefert Kostenvorteile für die Partnerschaft. Rivian steuert im Gegenzug seine Patentrechte an der Software bei, die sowohl für Rivian-Fahrzeuge als auch für Volkswagen-Modelle genutzt werden soll. "Wenn es um eine große technische Umstellung geht, können wir nicht alles alleine machen", sagte VW-Chef Blume in einem Interview mit der "Financial Times". "Es sollte eine Win-win-Situation sein", so Blume. "Die Motivation von unserer Seite ist es, die Software-Transformation bei Volkswagen in allen unseren Marken zu beschleunigen. Rivian hat die beste Architektur in seiner Klasse. Volkswagen hat die Größe." Die geplante Zusammenarbeit enthält zwei wesentliche Faktoren: zum einen das geplante Gemeinschaftsunternehmen, an dem Volkswagen und Rivian jeweils einen Anteil von 50 Prozent halten sollen. VW investiert jetzt bis zu zwei Milliarden Dollar in das Projekt, die Hälfte davon Ende 2024 und den Rest 2026. Dabei geht es um Direktinvestitionen und Kredite. Zum anderen eine direkte Beteiligung von Volkswagen an Rivian im Volumen von bis zu drei Milliarden Dollar in mehreren Schritten. Auf Basis des derzeitigen Börsenwertes käme VW letztlich damit auf einen Anteil von 25 Prozent an Rivian und wäre damit größter Aktionär vor Amazon. Auch das ein wichtiger Faktor für VW, denn wie Blume erklärt, geht es ihm auch darum, den Fokus auf den amerikanischen Automarkt zu schärfen. Veränderung bei der Produktion Konkret wird das auch die Produktion beeinflussen. "Durch unsere Zusammenarbeit werden wir die besten Lösungen schneller und zu geringeren Kosten in unsere Fahrzeuge bringen", so Blume bei der Vorstellung des Deals. Zuletzt kostete das bestehende Softwareunternehmen Cariad den Konzern jährlich knapp vier Milliarden Euro. Dieses soll künftig nur noch für Fahrzeuge zuständig sein, die bereits auf dem Markt sind und sich ansonsten verstärkt um das Thema autonomes Fahren kümmern. Die ersten Autos mit der Software von Rivian sollen ab 2028 auf die Straßen kommen, zuerst bei Audi und Porsche. Um erneute Verzögerungen zu verhindern, soll zudem die Herangehensweise geändert werden. Statt das Auto zu entwerfen und die nötige Steuerung später einzubauen, steht hier die Software am Anfang und das Fahrzeug wird darauf abgestimmt – das System wird "Software Defined Vehicle" genannt. Was heißt das für die Cariad-Mitarbeiter? Cariad-Chef Peter Bosch selbst spricht von einem "Paradigmenwechsel", der stattfinden müsse. Mit der Kooperation solle nun vorgebaut werden, sagte ein Insider. Insbesondere soll ein Debakel wie bei der Software für Fahrzeuge wie den Porsche Macan und den Audi Q6 Etron verhindert werden, die mit jahrelanger Verspätung auf den Markt kamen, hieß es weiter. Was die jetzige Kooperation für die VW- und Cariad-Mitarbeiter heißt, ist nicht bekannt. Noch ist offen, wie viele Entwickler etwa von Cariad zum neuen Gemeinschaftsunternehmen wechseln werden. Auch Stellenstreichungen stehen daher im Raum, wie das "Handelsblatt" schreibt. Aktuell arbeiten bei Cariad 6.000 Mitarbeiter. Kritische Stimmen gibt es zudem bezüglich der unterschiedlichen Unternehmenskulturen und der Frage, inwiefern ein Start-up wie Rivian und ein Traditionsunternehmen wie VW zusammenfinden können.