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Fabien Martini von Polizeiwagen totgerast: So leiden und kämpfen die Eltern

Vor mehr als sechs Jahren starb Fabien Martini, als ein Polizeiwagen in ihr Auto raste. Seitdem kämpfen ihre Eltern: mit ihrer Trauer, für Gerechtigkeit und gegen das Vergessen. Das Leben von Fabien Martini endete am 29. Januar 2018. Sie wollte gerade auf dem Mittelstreifen einer dreispurigen Straße nahe dem Berliner Alexanderplatz parken, als von hinten ein Polizeiauto mit Blaulicht heranraste. Ermittlungen werden später zeigen, dass das Polizeiauto, gelenkt von Peter G., mit mehr als 130 Kilometern pro Stunde durch Berlin fuhr. G. bremste noch, aber keine Chance. Als der Polizeiwagen in die Fahrerseite von Fabiens Auto krachte, war er immer noch 91 km/h schnell. Die 21-Jährige starb wenige Minuten später an ihren Verletzungen. Der Notruf, zu dem die Polizisten unterwegs gewesen waren, stellte sich nachher als Fehlalarm heraus. Seit diesem Tag bestimmen Trauer und Wut das Leben von Britta und Christian Martini. "Wir sind kaputt", sagt die Mutter. Ihr Mann sitzt neben ihr am Küchentisch ihrer kleinen Wohnung in einer ruhigen Gegend im Norden Berlins. Manche Menschen würden das Thema Fabien ihnen gegenüber meiden, weil sie keine Wunden aufreißen wollten, sagt Britta Martini. "Aber die Wunde ist immer offen". Im Eingangsbereich der Wohnung hängt ein Bild von "Fabi", wie die Mutter sie nennt. "Im Schlafzimmer ist alles voll mit Bildern von ihr", sagt sie. "Aber wir wollen es hier nicht übertreiben, auch wegen Rico." Rico ist ihr Sohn, mittlerweile 23 Jahre alt und Student. Ein Stück Normalität soll bleiben, obwohl nichts mehr normal ist im Leben der Martinis. "Eigentlich kann ich nicht mehr" Britta Martini kann nicht mehr arbeiten, seit Fabien tot ist. Vorher war sie Postbeamtin. Vater Christian arbeitet als Gerüstbauer. "Eigentlich kann ich nicht mehr. Aber wir können es uns nicht leisten, dass ich aufhöre", sagt er. Jeden Abend nach der Arbeit fährt er zum Grab seiner Tochter. Wer sich mit ihnen unterhält, merkt schnell, wie groß ihre Wut ist. "Uns wurden so viele Hürden in den Weg gelegt", sagen sie immer wieder. Immer wieder kam es zu Verzögerungen im Gerichtsverfahren gegen Peter G., dann kam auch noch Corona hinzu. Und sie sind überzeugt, dass ihnen und ihrer Tochter im Prozess großes Unrecht widerfahren ist. Peter G. wurde im Dezember 2021 im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Berlin wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 12.900 Euro verurteilt. Trotz Blaulicht und Sirene hätte er nicht mit 130 Kilometern pro Stunde durch die Stadt rasen dürfen, so das Gericht. 80 Kilometer pro Stunde wären demnach angemessen gewesen. Allerdings urteilte das Gericht auch, dass eine Mitschuld von Fabien Martini nicht auszuschließen sei, weil sie auf ihrer Parkplatzsuche den Fahrstreifen wechselte und langsamer wurde. "Der Angeklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass die Geschädigte weiter geradeaus fährt", heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts zum Urteil. "Unfassbar" finden das die Eltern. Alkoholverdacht: Blutprobe nicht als Beweis zugelassen Ihnen geht es vor allem um einen Punkt: Sie sind überzeugt davon, dass der Unfallverursacher betrunken war. Monate nach dem Tod von Fabien Martini gab es einen anonymen Hinweis. Der bezog sich auf die Patientenakte von Polizist Peter G., die am Unfalltag in der Notaufnahme der Charité angelegt worden war. Daraus ging hervor, dass eine Blutprobe einen Wert von etwa einem Promille Alkohol ergeben hat. Die Staatsanwaltschaft ließ die Akte beschlagnahmen und brachte sie als Beweis im Prozess vor. Die Akte wurde aber nicht als Beweis zugelassen, und zwar in allen Instanzen. Die Beschlagnahmung sei illegal gewesen, so das Urteil. Darüber hinaus habe es keine Hinweise gegeben, dass Peter G. zum Zeitpunkt des Unfalls alkoholisiert gewesen sei. Ein weiteres Problem ist, dass die Blutprobe nicht mehr existierte, als der Alkoholverdacht öffentlich wurde. Und es wurde keine zweite Probe genommen, wie für gerichtsfeste Alkoholtests notwendig. "Jeder normale Bürger wäre da so nie rausgekommen" Für die Martinis ist das kaum zu ertragen. Sie werfen den Behörden Vertuschung vor. "Jeder normale Bürger wäre da so nie rausgekommen", sagt Britta Martini. Nach dem Crash gehörte der Dienstgruppenleiter von Peter G. zu den ersten Polizisten am Unfallort. Im ersten Prozess vor dem Amtsgericht Tiergarten sagte eine Ermittlerin vom Verkehrsunfallkommando aus, dass sie dem Dienstgruppenleiter den Auftrag erteilt habe, im Krankenhaus Nachermittlungen anzustellen. Dazu habe gehört, die Fahrtüchtigkeit von Peter G. zu ermitteln. Der Dienstgruppenleiter stritt ab, diesen Auftrag bekommen zu haben. Die Ermittlungen im Krankenhaus fanden nicht statt. Peter G. schwieg im Prozess. Und auch außerhalb. Er habe sich nie bei ihnen entschuldigt oder ihnen persönlich sein Bedauern ausgedrückt, sagen die Martinis. "Es hätte viel für mich verändert, wenn er zugegeben hätte, dass er schuld ist", sagt Christian Martini. Das Geld ist ihnen "scheißegal" Aber so machen sie weiter, nach dem Ende des Strafprozesses jetzt in einem Zivilverfahren gegen das Land Berlin. Im Januar erging ein Urteil vor dem Landgericht, in dem den Martinis Tausende Euro Schmerzens- und Hinterbliebenengeld zugesprochen wurden. Aber das Gericht gab Fabien 50 Prozent der Schuld an dem Unfall. "Wir konnten das nicht glauben", sagt die Mutter. Sie sind in Berufung gegangen, ein Termin für den nächsten Prozess steht noch nicht fest. Das Geld sei ihnen "scheißegal", sagen die beiden. "Wir wollen einfach nur, dass unserer Tochter Gerechtigkeit widerfährt", sagt Britta Martini. Wenn das vor Gericht nicht gelinge, wollten sie sich wenigstens nicht vorwerfen, nicht alles versucht zu haben. Einen kleinen persönlichen Erfolg haben die Martinis in den vergangenen Monaten errungen. Die Behörden haben ein Mahnmal genehmigt, das am Unfallort in der Grunerstraße an Fabien erinnert. Am Samstagnachmittag wird es eingeweiht. An einer Stele wird eine Tafel mit einem Gedenktext angebracht. "Die ist in erster Linie Fabi gewidmet, aber auch allen anderen Verkehrstoten dieser Stadt", sagt Britta Martini.