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Formel 1: Lando Norris jagt Max Verstappen – "Es ist alarmierend"

Der nächste Weltmeistertitel schien Max Verstappen schon sicher. Sein Vorsprung ist groß. Dennoch droht ein spannendes Szenario. "Es ist alarmierend. Das Team muss härter arbeiten, oder beide Weltmeisterschaften sind in Gefahr": Mit diesen Worten ruft Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko endgültig den Ernstfall aus. Noch zu Beginn der Saison hätte wohl kein Fan, Journalist oder Beteiligter damit gerechnet, derartig besorgte Aussagen aus dem Red-Bull-Team, dem Dominator der Formel 1 , zu hören. Doch mit dem Großen Preis der Niederlande vergangene Woche hat sich das Blatt in der Königsklasse endgültig gewendet. Dort setzte es für den amtierenden Weltmeister Max Verstappen bei seinem Heim-Rennen nämlich eine Klatsche. Satte 23 Sekunden hinter Rennsieger Lando Norris in seinem McLaren kam Verstappen ins Ziel. Obwohl er den Rennstart gewonnen und Norris zunächst überholt hatte, musste er den Briten nur wenige Runden später vorbei- und dann davonziehen lassen. Ein Szenario, das zu Beginn der Saison noch undenkbar gewesen wäre. Der Kampf um die Weltmeisterschaft ist nun endgültig eröffnet – und er verspricht Hochspannung. Der Trend geht in die falsche Richtung Seit fünf Rennen wartet Verstappen mittlerweile auf einen Sieg – eine Serie, die es so schon seit 2020 nicht mehr gegeben hat. Noch hat Verstappen in der Fahrer-WM stattliche 70 Punkte Vorsprung auf Verfolger Norris. Für Red Bull sieht es in der Teamwertung allerdings deutlich brisanter aus: Nur noch 30 Zähler trennen sie von McLaren. Der Trend bei Red Bull, die zu Beginn der Saison noch an die letzten erfolgreichen Jahre anzuschließen schienen und vier der ersten fünf Rennen gewannen, geht in die falsche Richtung. Die Updates, mit denen der österreichische Rennstall sein Auto noch schneller machen wollte, scheinen das Gegenteil bewirkt zu haben. Immer wieder beschwerte sich Verstappen bei den vergangenen Rennen über die schlechte Fahrbarkeit seines Boliden. Schon beim nächsten Rennen in Monza an diesem Wochenende zieht Red Bull deshalb die Notbremse und möchte wieder ältere Teile verbauen, die in der Vergangenheit Leistung erbracht haben. McLaren ist schnell Ganz anders McLaren. Der britische Traditionsrennstall startete die Saison mit einem beträchtlichen Rückstand auf Red Bull. So kam Norris beim ersten Rennen in Bahrain gerade einmal auf Platz acht ins Ziel – mit gut 48 Sekunden Rückstand auf Rennsieger Verstappen. Die Wende kam in Miami: Zum sechsten Saisonlauf hatte McLaren seinerseits ein umfassendes Update mitgebracht. Vom Frontflügel bis zu Teilen des Heckflügels: An insgesamt elf Stellen hatte das Team sein Auto überarbeitet, quasi eine B-Version des Boliden gebaut – und traf damit voll in Schwarze. In Miami konnte Norris die neue Schnelligkeit seines McLaren direkt nutzen – und fuhr seinen ersten Karriereerfolg ein. Seither präsentiert sich der britische Rennstall mindestens auf Augenhöhe mit Red Bull, verspielte durch Fahr- und Strategiefehler jedoch einige weitere Siege. "Ich muss besser werden" Auch beim Rennen in Zandvoort gab Norris seine Poleposition am Start zunächst wieder her, bevor er seinen Fehler aber später immerhin ausbügeln konnte. Aufgrund der vielen Fehler zeigt sich Norris allerdings noch skeptisch, was seine WM-Chancen angeht: "Ich muss besser werden. Ich habe das ganze Jahr über hart gearbeitet und liege immer noch 70 Punkte hinter Max. Es ist also ziemlich dumm, im Moment an irgendetwas zu denken", sagte Norris. "Ich gehe ein Rennen nach dem anderen an und mache so weiter wie bisher, denn es hat keinen Sinn, an den Rest zu denken. Der ist mir im Moment völlig egal", so der 24-Jährige weiter. Den Part mit dem Selbstbewusstsein übernahm dafür sein Teamchef Andrea Stella. Norris habe "definitiv das Potenzial eines Weltmeisters", befand er. "Er kann Weltmeisterschaften gewinnen. Das ist eine Aussage in Großbuchstaben", so Stella weiter. McLaren auf den Spuren Vettels Um angesichts des immer noch beachtlichen Rückstandes dieses Ziel tatsächlich zu verwirklichen, möchte sich McLaren am deutschen Vierfachweltmeister Sebastian Vettel orientieren. Der hatte 2013 nach der Sommerpause – allerdings ohnehin schon als WM-Führender – alle neun verbleibenden Rennen gewonnen und sich so auf dominante Art und Weise den vierten Titel gesichert. Neun Rennen verbleiben nun auch für McLaren und Norris in dieser Saison noch, um die Lücke zu Verstappen zu schließen. "Wir haben darüber gesprochen und uns angeschaut, was Vettel 2013 gemacht hat. Wir haben gesagt, dass wir das Gleiche tun können, warum auch nicht?", sagte Stella selbstbewusst. Neun Siege in neun verbleibenden Rennen – es wäre eine enorme Leistung, die McLaren vollbringen will. Angesichts der Dominanz in Zandvoort scheint Stellas Selbstvertrauen aber durchaus berechtigt. Es ist ein langer Weg Das Problem für McLaren: Die neun Siege allein, würden Norris noch nicht reichen, um sich zum Weltmeister zu krönen – zumindest nicht, wenn Verstappen wie in Zandvoort jedes Mal als Zweiter ins Ziel kommt. In der Formel 1 bekommt ein Fahrer für den Rennsieg 25 Punkte zugesprochen, der Zweitplatzierte erhält 18 Punkte. Norris könnte pro Rennen also sieben Zähler aufholen. Bei neun Rennen macht das insgesamt 63 Punkte, die Norris gutmachen würde – sieben Zähler zu wenig. Allerdings präsentieren sich für Norris noch weitere Möglichkeiten, zu punkten. So verbleiben in dieser Saison noch drei Sprintrennen – in Austin, Brasilien und Katar – wo weitere Punkte vergeben werden. Sollte Norris auch dort jedes Mal Erster und Verstappen Zweiter werden, würde er weitere drei Punkte aufholen. Verbleiben noch vier Punkte Rückstand. Dann wäre da noch die schnellste Rennrunde, für die bei jedem Rennen ein Extrapunkt vergeben wird. Norris müsste also bei vier seiner neun Siege auch noch die schnellste Rennrunde drehen, um am Ende Punktgleichstand mit Verstappen herzustellen. Aufgrund der größeren Anzahl an Saisonsiegen hätte er dann den WM-Titel gewonnen. In Zandvoort ist ihm das Kunststück immerhin schon mal gelungen. Ausrutscher sind verboten Dennoch: Die Berechnung zeigt, dass der Weg zum WM-Titel für Norris noch weit ist. Gleichzeitig heißt es für Verstappen und Red Bull: Ausrutscher sind verboten. Denn sollte Verstappen einmal nicht Zweiter werden, während Norris gewinnt, wäre die WM-Tür für den Briten weit geöffnet. Die größten Sorgenfalten dürfte ihnen dabei der Große Preis von Singapur machen. Der Kurs beim Nachtrennen in dem asiatischen Land liegt den Red Bulls traditionell nicht. Sogar im vergangenen Jahr, in dem Red Bull jedes andere Rennen der Saison gewann, kam Verstappen in Singapur nur auf Platz fünf ins Ziel. Ein ähnliches Resultat in diesem Jahr würde einen herben Rückschlag im WM-Kampf bedeuten. Klar, Verstappen ist wohl immer noch der beste Fahrer im Feld. Norris und McLaren haben ihre Fehleranfälligkeit bereits bewiesen. Dennoch sind Red Bull und Verstappen gut beraten, sich nicht auf weitere Fehler ihrer Kontrahenten zu verlassen, um die Führung zu retten und wie ein angeschossenes Reh ins Ziel zu humpeln. Beim österreichischen Rennstall herrscht dennoch Zweckoptimismus. "Die letzten paar Rennen waren schon nicht wirklich fantastisch. Das war in gewisser Weise ein bisschen beunruhigend", übte sich etwa Verstappen in Euphemismen. "Aber wir wissen, dass wir nicht in Panik verfallen müssen", so Verstappen weiter. Auch Teamchef Christian Horner sprach von einer notwendigen Reaktion. "Ich bin zuversichtlich, dass wir das können", sagte er. Motorsportberater Marko drückte es deutlicher aus: "Unsere Techniker müssen sich etwas einfallen lassen", forderte er. Denn auch er weiß: Es wird ein enges Rennen.