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VW-Gesetz: Wer kontrolliert Volkswagen eigentlich wirklich?

Das VW-Gesetz regelt die Eigentumsverhältnisse bei Volkswagen. Niedersachsen besitzt unter anderem ein wichtiges Vetorecht bei zentralen Entscheidungen. Volkswagen und die Stadt Wolfsburg wurden 1938 von den Nationalsozialisten gegründet, um in einem Automobilwerk von nie dagewesener Größe erschwingliche Autos zu produzieren. In den Jahren nach 1945 war die Eigentumsfrage gänzlich ungeklärt. Sowohl der Bund als auch das Land Niedersachsen, die Gewerkschaften, Hunderttausende Privatanleger und die Belegschaft selbst beanspruchten das Eigentum an den VW-Werken. Abhilfe schaffte erst das 1960 verabschiedete VW-Gesetz, in dem ein ausgleichender Gedanke steckt: Der Staat sichert sich bestimmte Privilegien und die Volkswagen GmbH wird als Volkswagen AG in die Privatwirtschaft entlassen. Doch warum kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Politik und Wirtschaft? Und was hat Niedersachsen damit zu tun? Antworten auf die wichtigsten Fragen. Was hat Niedersachsen mit VW zu tun? Das Land Niedersachsen, in dem VW seinen Sitz hat, besitzt eine Sperrminorität. Das bedeutet, dass wichtige Beschlüsse der Hauptversammlung eine Mehrheit von mehr als 80 Prozent statt der üblichen 75 Prozent erfordern. Da Niedersachsen 20,2 Prozent der Aktien hält, hat es bei zentralen Entscheidungen faktisch ein Vetorecht. Die Landesregierung hat damit ein gewichtiges Wort bei VW mitzureden und entsendet auch zwei Vertreter in den Aufsichtsrat. Einer davon ist derzeit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der andere ist Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). Aufgabe des Aufsichtsrats ist es, die Interessen der Aktionäre zu vertreten und den Vorstand des Unternehmens zu kontrollieren. Was ist das VW-Gesetz? Nach dem Krieg drohte Volkswagen das Aus. 1949 entschied die britische Militärregierung, das Unternehmen dem Bund als Treuhänder und dem Land Niedersachsen als Verwalter zu übertragen. Dahinter stand die Motivation, Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen. Die Eigentumsverhältnisse blieben jedoch unklar. Das 1960 geschaffene VW-Gesetz sollte diesen Streit schlichten. Kleinsparer erhielten VW-Aktien zum Vorzugspreis. Auf Wunsch der Gewerkschaft und der Belegschaft wurde die "Volkswagenstiftung" gegründet, die bis heute soziale und wissenschaftliche Aufgaben wahrnimmt. Bund und Land erhielten je 20 Prozent der Unternehmensanteile sowie gewisse Vorzugsrechte. Diese werden heute allerdings nur noch von Niedersachsen wahrgenommen, da der Bund 1988 seine Anteile gegen den Widerstand von IG Metall und Betriebsrat an VW verkauft hat, ohne das Gesetz infrage zu stellen. Welche Sonderregelungen gibt es noch? Weiterhin enthält das VW-Gesetz Sonderregelungen für Standortentscheidungen. Entscheidungen über Produktionsstandorte bedürfen einer Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsrat. Damit erhalten die Arbeitnehmervertreter mehr Einfluss. Dies hat zur Folge, dass Produktionsverlagerungen ins Ausland gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter nicht möglich sind. Sind die Absprachen zwischen VW und Politikern Gefälligkeiten? Nein, das sind sie nicht. Denn den Austausch gibt es, seitdem es das VW-Gesetz gibt. "Ein Aufsichtsrat muss sich abstimmen mit dem Unternehmen, das er kontrolliert. Das ist auch aktienrechtlich geboten", erklärt VW-Experte Thorsten Hapke vom Norddeutschen Rundfunk bei "tagessschau.de". Denn nach außen kommuniziere der Aufsichtsrat immer auch als Teil des Unternehmens. Diese Praxis, also die Abstimmung zwischen Landesregierung und VW, sei auch Konsens zwischen allen Parteien. "Man kann als Anteilseigner, als Aufsichtsrat, eines Unternehmens nicht über dieses Unternehmen sprechen, ohne sich abzustimmen. Denn man liefe immer Gefahr, gegen Aktienrecht zu verstoßen, wenn man etwas Falsches sagt." Alle Landesregierungen in Hannover tauschten sich auch bisher eng mit VW aus, übernahmen "VW-Wording" oder erhielten Formulierungshilfen. Welche Kontroversen gibt es um das VW-Gesetz? Kritiker bemängeln, dass die Verflechtung von Politik und Wirtschaft bei VW viel zu eng sei. Die Interessen einer vom Volk gewählten Politik sind nicht unbedingt deckungsgleich mit den Interessen eines Weltkonzerns. Das VW-Gesetz ist umstritten und wurde auch mehrfach vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) angefochten. Kritiker sehen darin eine Verletzung der EU-Kapitalverkehrsfreiheit und eine ungerechtfertigte Bevorzugung staatlicher Aktionäre. Die Befürworter argumentieren mit der besonderen wirtschaftlichen Bedeutung von VW für Niedersachsen und der Sicherung von Arbeitsplätzen. Jeder fünfte Arbeitsplatz im VW-Konzern befindet sich in Niedersachsen. Laut einer Studie der Norddeutschen Landesbank steht VW für mehr als die Hälfte der Wertschöpfung der 50 größten Arbeitgeber des Bundeslandes. Trotz einiger Anpassungen bleibt das VW-Gesetz in seinen Grundzügen bestehen. Eine Initiative zur Abschaffung des Gesetzes ist nicht in Sicht. Das Land Niedersachsen kann sich weiterhin einen erheblichen Einfluss auf den Volkswagen-Konzern sichern. Zudem profitiert Niedersachsen als Großaktionär von den Dividenden. Und schließlich ist Volkswagen ein großer Steuerzahler.