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Wahlen in Ostdeutschland: Was sie mit dem Klimawandel zu tun haben

Autos, Reisen, Konsum: Was nach der Wende als erstrebenswert galt, wird angesichts der Klimakrise zum Problem. Auch deswegen lehnen viele Ostdeutsche tiefgreifende Veränderungen ab, weiß unsere Kolumnistin, die selbst im Osten des Landes aufwuchs. Ich bin in einem Dorf in Brandenburg aufgewachsen. Viele Nachbarinnen, Eltern von Mitschülern und Freunde meiner Eltern waren nach der Wende zumindest zeitweise arbeitslos. Um neue Jobs zu finden, mussten sie oft weit fahren oder gar umziehen. Um einen Ausbildungsplatz zu bekommen, gingen viele junge Menschen nach Berlin oder in den Westen. In Regionen, in denen ihre Eltern nie zuvor waren, weil sie da vorher gar nicht hinreisen durften. Ich erinnere mich an Jahre in meiner Kindheit, in denen viele Häuser im Dorf leer standen. Daran, dass Kindergärten und Gaststätten in den umliegenden Orten dichtmachten und Zugverbindungen eingestellt wurden. Daran, dass groß angekündigte Arbeitsplatzgaranten wie Chipfabriken und eine Zeppelinhalle floppten. Die Menschen im Osten haben massive Umbrüche in ihrem Leben erlebt. Und auch wenn es den allermeisten finanziell heute objektiv besser geht, verbinden viele mit den Nachwendejahren Unsicherheit, Abwertung und Zukunftsangst. Historisch mögen diese Jahre mittlerweile vernachlässigbar wirken, in der eigenen Biografie sind sie es oft nicht. Der Umbruch war nicht nur ein struktureller, sondern eben auch ein persönlicher. Dass muss man wissen, um das Wahlverhalten zu verstehen Die blühenden Landschaften, die nach der Wende versprochen wurden, bedeuteten dann später: mindestens ein Auto pro Haushalt oder eher eins für jede berufstätige Person. Mallorca- und Skiurlaub, Öl- und Gasheizungen und unbeschränkter Konsum. Das waren die Ziele, die gleichbedeutend waren mit Wohlstand, Freiheit und materieller Sicherheit. All das muss man wissen, um das Wahlverhalten der Ostdeutschen zu verstehen. Vieles von dem, worauf Ostdeutsche hingearbeitet haben, steht heute symbolisch für das, was sich verändern muss. Schon wieder. Wenn wir unsere Lebensgrundlagen so gut es geht erhalten wollen, wird sich das massiv auf unsere Art zu leben und zu konsumieren auswirken. Viele wissen das. Doch sie verdrängen es lieber, blenden es aus und glauben lieber denjenigen, die anderes versprechen. Auch das erklärt, warum in Thüringen die AfD stärkste Kraft wurde, sie in Sachsen nur knapp hinter der CDU liegt und Umfragen zufolge auch bei der Landtagswahl in Brandenburg am 22. September stärkste Kraft werden könnte. Oder warum das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) aus dem Stand auf deutlich zweistellige Ergebnisse kommt. Beide Parteien stehen Klimaschutzmaßnahmen skeptisch bis ablehnend gegenüber. Sie versprechen eine Welt, in der sich nichts ändern soll. Doch die Ablehnung ist auch deshalb so groß, weil die Härten, die diese Veränderungen mit sich bringen, es für viele auch sind. Das Verbrenner-Auto etwa, auf das viele angewiesen sind, um zur Arbeit zu fahren, zu weit entfernten Ärztinnen oder in den Supermarkt, muss abgeschafft oder durch E-Autos ersetzt werden. Doch Letztere sind noch immer deutlich teurer, die Ladeinfrastruktur ist bis heute nicht ausreichend ausgebaut. Der öffentliche Nahverkehr ist zumindest in meinem Heimatdorf zwar besser als in meiner Jugend. Für meinen Vater wäre es dennoch unmöglich, damit zur Arbeit zu kommen. Zu den Ärzten meiner Großmutter gibt es teils gar keine öffentliche Verbindung. In vielen anderen Regionen sieht es noch schwieriger aus. Das bedeutet persönliche Freiheit Westpakete mit Kleidung oder Orangen und Tauschgeschäfte, um an Badfliesen oder eine Haustür zu kommen, habe ich nicht mehr selbst erlebt, aber ich kenne die Geschichten gut. Sie werden bei Kaffeekränzchen und Familienfeiern regelmäßig erzählt. Ein Amazon-Prime-Account bedeutet heute nicht nur potenziell unbegrenzten Konsum, sondern auch, nicht 45 Kilometer bis zum nächsten Baumarkt oder Elektrohandel fahren zu müssen, wenn beim aktuellen Handwerksprojekt ein Metallwinkel fehlt. Fern- und Flugreisen waren bis zur Wende für die meisten ein unerfüllbarer Traum. Heute bedeuten sie nicht nur eine Erholung vom stressigen Alltag, eine Belohnung fürs Arbeitsjahr – sie sind längst selbstverständlich geworden, nicht nur für meine Generation der Mitte 30-Jährigen. Flugreisen sind zudem für ältere Ostdeutsche auch ein Zeichen, es geschafft zu haben. Sie bedeuten persönliche Freiheit, die es lange nicht gab. Und die ihnen jetzt wieder weggenommen werden soll. Ich erinnere mich auch noch daran, dass es im Winter eiskalt war, wenn wir nach Hause kamen, und dass das dann länger so blieb. Wir hatten im Gegensatz zu meinen Großeltern zwar schon eine Zentralheizung, aber auch die musste im Keller mit Kohle angefeuert werden. Das alte Haus zu dämmen und eine Ölheizung einzubauen, war ein finanzieller und baulicher Kraftakt, den einige im Dorf erst deutlich später schafften als wir und der oft noch gar nicht lange abbezahlt ist. Das Ganze jetzt noch einmal auf sich zu nehmen, um auf eine Wärmepumpe umzustellen, obwohl es aus persönlicher Sicht gar nicht viel bringt? Für die einen eine Zumutung, für die anderen kaum möglich. Ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse werden kaum mitgedacht Wer wundert sich da, dass ein größerer Anteil als im Westen den tiefgreifenden Veränderungen, die die ökologische Transformation erfordert, skeptisch bis ablehnend gegenübersteht? Einer Befragung von 2022 zufolge gab im Westen die Hälfte der Teilnehmenden an, dass die Klimaschutzmaßnahmen nicht weit genug gingen, im Osten waren es nur 27 Prozent. Besonders deutlich waren die Unterschiede bei der Frage, ob eine "grundsätzliche Reform unseres Wirtschafts- und Sozialsystems" notwendig sei, um die Klimakrise effektiv zu bekämpfen. Im Osten lehnten 21 Prozent dies überwiegend und 26 Prozent völlig ab, im Westen sprachen sich nur 10 Prozent überwiegend und 8 Prozent völlig dagegen aus. Weniger als ein Drittel der Befragten im Osten stimmt der Aussage zu, im Westen fast die Hälfte. Das Stadt-Land-Gefälle wird in der ökologischen Transformation besonders deutlich und gefühlt sogar verschärft. Im Osten gibt es einen hohen Anteil an ländlichen Regionen, häufig wohnen dort Menschen mit geringerem Einkommen – oft in Eigenheimen. Während die sichtbaren Folgen der Transformation wie Windräder den Ausblick von Landbewohnerinnen trüben, fühlen sie sich gleichzeitig abgehängt, wenn ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in der Debatte um eine klimaneutrale Mobilität und klimafreundliches Wohnen kaum mitgedacht werden. Nicht die technische Frage, wie man emissionsfrei heizen und sich fortbewegen kann, ist entscheidend. Wichtiger ist die Frage, wie die Wärme- und Mobilitätswende realistisch und sozial gerecht umsetzbar ist. Sie gehört in den Fokus der Debatte, wenn nicht die gewinnen sollen, die behaupten, die Maßnahmen seien unnötig. Nicht nur, aber gerade auch im Osten.