Klimakolumne: Es gibt nicht die eine Lösung
Tempolimit? Hat kaum einen Effekt. Inlandsflüge verbieten? Bringt für den Klimaschutz anteilig wenig. Stimmt alles. Warum diese Maßnahmen trotzdem umgesetzt werden sollten, erklärt unsere Kolumnistin. Als mir vor ein paar Jahren bewusst wurde, wie akut die Klimakrise ist, begann ich panisch, nach einer Lösung zu suchen. Ich hatte nicht die Hoffnung, sie selbst zu entdecken, aber ich hatte das Gefühl, etwas übersehen zu haben. Energiewende, Verkehrswende, Agrarwende, natürlich hatte ich von alldem schon gehört. All diese Veränderungen wirkten auf mich zwar grundsätzlich sinnvoll und machbar, aber auch viel zu langsam und kompliziert. Wenn von der Stabilität unseres Klimas die Stabilität unserer Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung abhängt, unserer Wasserversorgung und unserer Infrastruktur, dann musste es doch eine allumfassende Lösung geben. Das, worüber diskutiert wurde, erschien mir viel zu kleinteilig. Den Einwand höre ich auch heute noch häufig: Der CO2-Ausstoß Deutschlands macht doch nur zwei Prozent der weltweiten Emissionen aus. Was soll es da bringen, wenn nur wir etwas tun? Natürlich ist die Argumentation nicht komplett falsch Diese Argumentation wird regelmäßig auch gegen ein Verbot von Inlandsflügen oder ein Tempolimit angeführt. Der Effekt der – unbequemen – Veränderungen sei so gering, dass sie fast nichts brächten, heißt es. Daher sollte lieber erst mal woanders mit Einsparungen begonnen werden. Klimaschutz-Whataboutism wird das in Fachkreisen genannt, also ein rhetorischer Kniff, der ein Problem relativiert, indem auf ein anderes verwiesen wird. Ein Trick, um die Verantwortung von sich weg und anderen zuzuschieben. Doch von einem Missstand auf den nächsten zu zeigen, löst keinen von beiden. Natürlich ist die Argumentation nicht komplett falsch. Würden tatsächlich nur Inlandsflüge verboten, oder würde nur ein Tempolimit beschlossen und sich in anderen Bereichen nichts verändern, hätte das nur einen geringen Effekt. Aber die Argumentation zeigt, dass eine zentrale Prämisse von Klimaschutz nach wie vor nicht ausreichend begriffen worden ist: Um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten und unsere Lebensgrundlagen zu sichern, müssen wir Emissionen nicht nur reduzieren, sondern sie so schnell wie möglich stoppen. Im Kleinen wie im Großen. Wer es begriffen hat, versteht CO2 reichert sich in der Atmosphäre an – vor allem durch das Verbrennen von Kohle, Gas und Öl – und es hat eine extrem lange Lebensdauer. Der Abbau dauert insgesamt mehrere hunderttausend Jahre. Alles, was heute ausgestoßen wird, kommt also einfach oben drauf. Niemand, der heute lebt, wird mitbekommen, dass sich die Erde wieder abkühlt, weil CO2 zerfällt und seine aufheizende Wirkung verliert. Wenn ich das in Vorträgen erkläre, kommen regelmäßig im Anschluss Menschen zu mir und sagen, das sei ihnen so nicht bewusst gewesen. Wer es begriffen hat, versteht: Wir müssen heute alles tun, was wir können. Jede Maßnahme, die wir heute umsetzen, hilft, Emissionen einzusparen und trägt so dazu bei, die Erderhitzung zu bremsen und schnellstmöglich zu stoppen. Die Folgen der globalen Erwärmung sind schon heute oft stärker, als unsere Infrastruktur und unsere Landwirtschaft es verkraften . Zu viel Regen, oder zu wenig; anhaltende Hitze und immer höhere Temperaturen – die Ausschläge werden extremer, und sie kommen häufiger. Alle müssen ihren Beitrag leisten, um diese Entwicklung zu stoppen, jedes Land und jeder Sektor. Die Verantwortung auf andere abzuschieben, funktioniert daher nicht. Wer sich verweigert, ist nicht mehr wettbewerbsfähig Oft höre ich das Argument auch in umgekehrter Logik: Ein Land allein könne das Klima nicht retten. Auch das ist wahr. Nur behauptet das auch niemand. Es geht darum, dass alle ihren Anteil leisten. Es bleibt keine Zeit mehr darüber zu diskutieren, wer wo anfängt. Alle müssen ran. Jetzt. Und je mehr entschieden anpacken, desto eher kann das sogar eine positive Dynamik auslösen. Weil Länder und Firmen, die sich der Transformation verweigern, nicht mehr wettbewerbsfähig wären. Strom aus erneuerbaren Quellen etwa ist mittlerweile mit Abstand der günstigste. Dass einzelne Maßnahmen für sich genommen nur einen geringen Anteil leisten, ist wahr. Es ist eine Binse. Denn 2 plus 2 plus 2 plus 2 plus 2 ergibt 10. Wenn sich genug Länder und Branchen, Firmen und Menschen bewegen, werden daraus 20, 40, 80 Prozent, und am Ende eine klimaneutrale (Welt-)Gesellschaft. Nur dafür müssen eben auch alle mitmachen. Es ist nie zu spät und Veränderung ist möglich Heute denke ich, es war auch die Angst davor, die mich hat nach der einen großen Lösung suchen lassen. Ich wollte, dass jemand die Klimakrise für mich löst. Wasserstoff, Digitalisierung, Geo-Engineering – irgendetwas musste das Klima, und damit auch meine eigene Zukunft, doch retten. Es ging nicht nur darum, dass ich keine Veränderung wollte, sondern vor allem darum, dass ich keine Verantwortung übernehmen wollte, in dieser komplexen und überwältigenden Krise. Andere waren doch viel einflussreicher als ich. Die eine Maßnahme, die alles löst, habe ich nicht gefunden. Ich musste einsehen, dass es sie nicht gibt. Was ich stattdessen verstand, ist unendlich wertvoller: Es ist nie zu spät und Veränderung ist möglich. Es gibt sie, die vielen, auch kleinen Lösungen, sie sind im Wesentlichen bekannt und werden an vielen Stellen längst erprobt und umgesetzt. Jede und jeder Einzelne, die oder der sich entscheidet, aktiv zu werden , kann dazu beitragen, dass der Wandel gelingt.