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Explosionen im Libanon: Beispielloser Schlag gegen Hisbollah

Operationen an Augen und amputierte Arme: Die Hisbollah-Mitglieder im Libanon sind durch die Pager-Explosionen stark getroffen worden. Wieder beginnt das große Warten auf ihren Gegenschlag in Israel. Die Hisbollah-Miliz im Libanon hat durch eine mutmaßlich israelische Attacke mit rund 2.800 Verletzten und mindestens 12 Todesopfern den wohl schwersten Schlag seit Jahrzehnten erlitten. Bei der gleichzeitigen Explosion Hunderter tragbarer und von der Miliz genutzter Funkempfänger, sogenannter Pager, wurden in Beirut und anderen Teilen des Libanons sehr viele Hisbollah-Mitglieder verletzt. Aus Kreisen der schiitischen Gruppe hieß es, es habe ein "großes Sicherheitsversagen" geben. Ob, wie und wann die Hisbollah auf den beispiellosen Angriff reagiert, ist unklar. Immer wieder gab es in vergangenen Monaten die Befürchtung, der Beschuss beider Seiten könne sich neben dem Gaza-Krieg zu einem zweiten, großen Kriegsschauplatz verwandeln. Bei dem koordinierten Angriff explodierten in Beirut und anderen Orten am Dienstag plötzlich Pager, die Menschen etwa auf der Straße, im Supermarkt, im Auto oder zu Hause bei sich trugen. Rund 300 Menschen schwebten tags darauf noch in Lebensgefahr, sagte der geschäftsführende Gesundheitsminister Firas Abiad. Unter den Todesopfern seien ein acht Jahre altes Mädchen und ein elf Jahre alter Junge. Nahezu 500 Menschen seien an Augen oder Gesicht operiert worden. Teils hätten Ärzte bei Patienten auch Arme oder Finger entfernen müssen. Wie viele der Opfer Zivilisten beziehungsweise Hisbollah-Mitglieder sind, bleib zunächst unklar. Unter den Verletzten sollen aber viele Hisbollah-Angehörige sein, darunter Mitglieder der Elitetruppe Radwan und zwei Leibwächter von Generalsekretär Hassan Nasrallah. Der Hisbollah-Chef selbst, der eine Rede für Donnerstag ankündigte, bleib offenbar unverletzt. Es wird vermutet, dass Nasrallah selbst keine technischen Geräte bei sich führt. Die Hisbollah und ihr wichtigster Verbündeter Iran wie auch Libanons Regierung machten Israel verantwortlich. Der mit der Hisbollah verbündete libanesische Parlamentsvorsitzende Nabih Berri sprach von einem "Massaker und Kriegsverbrechen Israels". Israel äußerte sich nicht. Beobachter erinnerten aber daran, dass Israel bei Angriffen auf Feinde im Ausland immer wieder Kommunikationsmittel eingesetzt hat, etwa bei der Tötung von Hamas-Bombenbauer Jihia Ajasch 1996. Rätseln über genauen Ablauf der Attacke In den Reihen der Hisbollah, die aus Sicherheitsgründen schon vor längerer Zeit von Handys auf Pager umgestiegen ist, herrschte am Tag nach dem Angriff noch viel Unklarheit über den Hergang. Aus libanesischen Sicherheitskreisen hieß es, etwa 3500 Pager seien in verschiedenen Landesteilen gleichzeitig explodiert. Etwa 1800 Menschen wurden nach offiziellen Angaben im Raum Beirut verletzt und Hunderte weitere in Orten im Süden und Osten des Landes. Auch in Syrien gab es Menschenrechtsaktivisten zufolge einige Verletzte durch explodierte Pager. US-Medien berichteten unter Berufung auf Regierungsvertreter, dass israelische Agenten die Geräte vor der Ankunft im Libanon abfingen und vermutlich mit jeweils etwa 25 bis 50 Gramm Sprengstoff präparierten. Nach Informationen des US-Nachrichtenportals "Axios" legten die Explosionen auch einen wesentlichen Teil des militärischen Kommando- und Kontrollsystems der Hisbollah lahm. US-Außenminister Antony Blinken sagte während eines Besuchs in Kairo , die USA seien an der Aktion nicht beteiligt gewesen. Die in Taiwan ansässige Firma Gold Apollo, die als Hersteller genannt wurde, wies eine Verbindung von sich. Vielmehr habe eine in Ungarn ansässige Firma die Geräte entworfen und gefertigt, erklärte Gold Apollo. Die Firma sieht sich als Opfer und will taiwanischen Medienberichten zufolge rechtliche Schritte einleiten Blutspenden im Libanon - Krankenhäuser überlastet Im Libanon bemühten sich Ärzte und Helfer, die Verletzten rasch zu versorgen. Im Süden von Beirut bauten sie Zelte auf, um Blutspenden zu sammeln, zu denen das Gesundheitsministerium aufrief. Der Irak und Jordanien schickten Flugzeuge mit Arzneimitteln und anderen Gütern. Auch der Iran schickte Hilfsteams mit Ärzten und Krankenschwestern, wie die staatliche Nachrichtenagentur Irna berichtete. Irans Botschafter im Libanon, Modschtaba Amani, wurde bei der Explosion eines Pagers ebenfalls verletzt. Das Gesundheitssystem im Libanon ist wegen einer seit Jahren andauernden Finanzkrise völlig überlastet und ist auf eine so große Zahl an Verletzten kaum vorbereitet. Sulaiman Harun, Leiter des Krankenhaus-Syndikats im Libanon, sagte der dpa, viele Verletzte hätten die ganze Nacht auf ihre Behandlung warten müssen. "Unseren Krankenhäusern fehlt es an Arzneimitteln wegen der fragilen Lage in unserem Gesundheitssystem." Auch Mitarbeiter im Gesundheitswesen wurden verletzt. Die Straßen in Beirut waren am Tag nach den Explosionen weitgehend leer. In Gedenken an die Opfer und aus Protest gegen die Attacke blieben Schulen und Universitäten geschlossen. Auch einige Behörden und Regierungseinrichtungen blieben geschlossen. Vorstufe zum größeren Krieg zwischen Israel und Hisbollah? Erneut stand die Frage vor einer nun noch größeren militärischen Konfrontation zwischen Israels Armee und der Hisbollah im Raum. Die Pager explodierten nur Stunden nach einer Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts. Das Kabinett hatte dabei die Rückkehr der vor Gefechten der Armee mit der Hisbollah geflüchteten israelischen Bürger in ihre Wohnorte im Norden des Landes zu einem der Ziele im Gaza-Krieg erklärt. In Erwartung einer möglichen Reaktion der Hisbollah wurden Luftabwehr, Luftwaffe und Militärgeheimdienst in Israel in erhöhte Einsatzbereitschaft versetzt, wie der Armeesender meldete. Eine Elite-Division solle außerdem im Rahmen der erhöhten Spannungen vom Gazastreifen an die Grenze zum Libanon verlegt werden. Israel achte nun auf jede mögliche Aktion der Hisbollah, berichtete der Sender. Die Fluggesellschaften Lufthansa und Air France setzten ihre Flüge nach Israel bis mindestens einschließlich Donnerstag aus. Die Airlines kündigten auch einen vorübergehenden Stopp ihrer Flüge in die iranische Hauptstadt Teheran beziehungsweise nach Beirut an.