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7. Oktober: Jahrestag des Hamas-Terrors in Israel – was plant Netanjahu?

Ein Jahr nach dem furchtbaren Massaker steht der Nahe Osten am Rande eines großen Krieges. Wie geht es nun weiter? Die "Einheit 200" war dazu da, das überreichliche Material aus den Überwachungskameras und Abhöranlagen in Gaza zu sichten, zu sortieren und zu bewerten. Von ihrer Aufmerksamkeit und Hellsicht hing einiges ab, das wusste jeder im israelischen Geheimdienst. Am 23. Juli 2023, also weit vor dem Massaker, schrieb eine Unteroffizierin eine Zusammenfassung des Gehörten und Gesehenen. Darin erwähnte sie, dass einiges auf Vorbereitungen für eine Invasion hindeute. Als Beleg für ein sinistres Vorhaben diente ihr auch der verschärfte Ton der Predigten in den Moscheen im Gaza: Man solle in Israel "maximales Leid verursachen, Grauen verbreiten und die Moral der Juden brechen". Am 19. September, da waren es noch 18 Tage bis zum Massaker, lag ein weiterer Report vor, aus dem hervorging, dass offenbar eine Invasion geplant sei. Darin stand sogar, dass 200 bis 250 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt werden sollten. Eine Kollaboration der Ignoranz Es waren junge Soldatinnen, die zu deuten wussten, was die Hamas bezweckte. Es waren ihre Vorgesetzten, die ihrem Urteil nicht vertrauten, weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte. Sie kollaborierten in der Ignoranz mit der Regierung Netanjahu, die auf das Westjordanland fixiert war. So konnte sich entfalten, wovor die jungen Frauen vergeblich gewarnt hatten. Die Mörder der Hamas kamen mit Feldküchen zur Verpflegung. Ihre Kommandeure hielten sie dazu an, Kugeln nicht zu verschwenden. Sie töteten Babys, kastrierten Männer, vergewaltigten Frauen und zündeten auf dem Nova-Festival Autos an, sodass die jungen Menschen, die sich im Kofferraum versteckt hatten, bei lebendigem Leib verbrannten. Die Bestatter empfahlen den Hinterbliebenen, die Autos mit den Toten zu begraben, weil nur so die mit dem Stahl verschmolzenen Seelen ihren Frieden finden könnten. Angeblich fanden sich Unterlagen in den unterirdischen Tunneln, wonach die Hamas darauf hoffen durfte, dass der Iran militärisch eingreifen würde, wenn die israelische Armee, wie gewünscht, Gaza bombardieren und besetzen würde. Denn die Hamas zielte auf einen großen Krieg, der Israel endlich nach so vielen vergeblichen Versuchen in die Knie zwingen würde. Israel ist militärisch zu stark für den Iran Ein Jahr danach ist die Region dem großen Krieg tatsächlich so nahe wie selten zuvor. Nur bleiben die iranischen Revolutionsgarden wie eh und je im Hintergrund und schicken Hisbollah und Houthi-Rebellen nach vorn. Die militärische Initiative liegt beim gedemütigten Israel und nicht bei den Todesbeschwörern in Teheran. Von dort kommen sogar einige Signale, die für geringes Interesse an einem großen Knall sprechen. Denn militärisch ist Israel zu stark für die Mullahs, vor allem mit der Unterstützung der USA , die nicht zufällig noch mehr Flugzeugträger und Kriegsschiffe in diese Weltgegend schicken. Die beiden Raketenangriffe Ende April und Anfang Oktober kamen mit Ansage und ließen sich mit vereinten Kräften abfangen. Möglich also, dass Israel gestärkt und der Iran geschwächt aus diesem explosiven Konflikt hervorgeht, der am 7. Oktober 2023 mit einer Blutorgie und den Geiselnahmen begann. So sieht es momentan aus, muss es aber nicht bleiben. Die Geiseln haben für Netanjahu keine Priorität Für die Hamas ging der Iran nicht ins Feuer. Für die Hisbollah schon eher, weil sie der verlängerte Arm des Regimes im Libanon , im Irak und in Syrien ist. Aber mit der Ermordung der Kommandeure samt dem geistlichen Führer Hassan Nasrallah in wenigen Tagen zeigte Israel eine verblüffende Kenntnis des geheimsten Inneren der Miliz. Von diesem gewaltigen Schock müssen sich Hisbollah und der Iran erst einmal erholen. Israel steht jetzt in einem Zweifrontenkrieg. Gaza ist allerdings zum Nebenkriegsschauplatz geraten. Niemand weiß vermutlich genau, wie viele Geiseln irgendwo im Labyrinth noch leben. Für die Regierung Netanjahu besaß ihre Befreiung höchstens kurzfristig Priorität; nunmehr gar keine mehr. Diese Schande wird noch über sie kommen. Wie so oft verstrickt sich die israelische Armee im Libanon – wie 1982, wie 2002, wie 2006. Vielleicht gelingt es ihr sogar, die Hisbollah bleibend zu schwächen. Vielleicht gelingt es ihr am Ende, die 30-Kilometer-Zone bis zum Litani-Fluss als dauerhafte Pufferzone zu etablieren, sodass der Norden Israels ruhiger leben kann. Und dann? Amerika ist nicht mehr Ordnungsmacht Wahrscheinlich sind Syrien und der Irak sogar ganz froh darum, wenn die Hisbollah und damit auch der Iran an Einfluss verlieren. In beiden Ländern haben sie ihre Schuldigkeit getan, meint man dort, und könnten gehen. Auch im Libanon soll es viele Christen, Drusen, Maroniten und sicherlich auch Muslime geben, die wenig vom Todeskult der Hisbollah halten. Aber Freunde Israels sind sie deshalb noch lange nicht. Und wie die ethnisch-religiösen Kräfte in Beirut einst austariert werden sollten, kann niemand genau sagen. Amerika ist nicht mehr die starke Ordnungsmacht, die Einfluss auf den gesamten Nahen Osten nehmen kann. Saudi-Arabien hat eigentlich den Geltungs- und Gestaltungsdrang für Größeres, bleibt aber auch gerne im Hintergrund und erfreut sich an der Schwächung des Iran. Ägypten könnte am ehesten, gemeinsam mit den UN, vielleicht auch mit China , zu einem Libanon-Gipfel einladen. Aber bevor man an eine Neuordnung der Region ernsthaft denken kann, muss zuerst einmal Waffenruhe herrschen. Und diese hängt von Israel ab. Der große Unsicherheitsfaktor ein Jahr danach ist Benjamin Netanjahu . Er schwimmt auf einer Woge des Erfolgs. Ihm liegt daran, mit seinen elektronischen Scoops die Schmach und die Schande vom 7. Oktober zu vergessen. Und die Gunst der Stunde, auf die er schon lange wartete, könnte ihn zum Angriff auf den Iran verleiten. Was ist Netanjanahus Tagesordnung? Der amerikanische Präsident zieht vorsorglich rote Linien: kein Angriff auf Ölraffinerien, keiner auf die Energieversorgung, geschweige denn die Atomanlage in Natanz. Überhaupt kein israelischer Angriff! Nun weiß man ja aus einiger Erfahrung, wie Benjamin Netanjahu solche Ratschläge behandelt. Zur Kenntnis nehmen. Mit Schweigen bedenken. Nicht ganz ignorieren, aber weitgehend. Zur Tagesordnung übergehen. Und was ist seine Tagesordnung? Man verliert ja das Vertrauen in die List der Vernunft, die gerade aus grauenvollen Kriegen etwas Sinnvolles hervorbringen kann. Man darf sie aber nicht ganz verlieren, da so vielen Menschen an so vielen Orten in dieser geschundenen Region sonst noch mehr Grauen und Elend bevorstehen.