München: Chaos und Ärger um Afghanistan-Konsulat in Grünwald
Das Generalkonsulat im Münchner Vorort Grünwald wird als eine von nur fünf Auslandsvertretungen in Europa von den Taliban anerkannt. Die Folge: Afghanen aus dem ganzen Bundesgebiet können nur dort ihre Passangelegenheiten regeln. An diesem wolkenverhangenen Oktobervormittag herrscht reges Treiben hier im Norden von Grünwald, wo in der Ortsdurchfahrt die Autos von und nach München vorbeirauschen. Hinter einer mannshohen weißen Mauer ragt eine imposante Villa empor, die andernorts Blicke auf sich ziehen würde. Nicht so jedoch in Grünwald – der Heimat der betuchten Bürger. Viele der Besucher der Villa kommen offenbar von weither: Die Kennzeichen der Autos am Straßenrand stammen aus dem gesamten Bundesgebiet. Der Grund für ihre Anreise: Die Villa ist – so steht es auf einem goldenen Schild am Eingang – das Generalkonsulat der Islamischen Republik Afghanistan. Grünwald: Wildbiesler und Parkplatzchaos Im Jahr 2012 eröffnete Afghanistan das Konsulat in der denkmalgeschützten Villa. Diese befindet sich im Besitz des Freistaats Bayern und diente zuvor dem Generalkonsul der Niederlande als Residenz. Dass das von Kriegen und Konflikten gebeutelte Afghanistan ausgerechnet in Grünwald eine Auslandsvertretung unterhält, daran habe man sich in der 11.000-Einwohner-Gemeinde inzwischen gewöhnt, so Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU). Doch diese Gelassenheit scheint vorbei zu sein. Es gibt zunehmend Beschwerden über das Verhalten der vor dem Konsulat wartenden Afghanen. Anwohner klagten bei einer Bürgerversammlung über Parkplatzchaos und riskante Wendemanöver auf der Straße. Außerdem machten sie die Konsulatsbesucher für Müll und wildes Urinieren verantwortlich. Chaos in Grünwald: Das sagt die Polizei Und tatsächlich ist der Andrang in den letzten Monaten deutlich gestiegen. Der Grund dafür liegt in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Denn dort haben die Taliban – sie sind seit August 2021 wieder an der Macht – vor wenigen Monaten verkündet, dass sie mit zahlreichen Auslandsvertretungen in Europa nicht mehr zusammenarbeiten. Als Grund gab ein Sprecher damals an, dass dort "ohne Koordination, willkürlich und die geltenden Prinzipien verletzend" gehandelt werde. In Deutschland sind davon die Botschaft in Berlin und das Generalkonsulat in Bonn betroffen, deren Pässe, Visa und sonstige Dokumente nicht mehr von den Taliban anerkannt werden. Als legitime Vertretungen in Europa akzeptiert das Regime in Kabul nur noch die Botschaften in Spanien, Bulgarien, Tschechien, den Niederlanden – sowie das Konsulat in Grünwald. "Wer die Nachrichten verfolgt hat, dem war klar, dass es hier zu einem erhöhten Aufkommen kommen wird", sagt Bürgermeister Neusiedl. Tatsächlich war das Generalkonsulat in Grünwald bis zum Kurswechsel der Taliban lediglich für Bayern und Baden-Württemberg zuständig. Inzwischen jedoch strömen Afghaninnen und Afghanen aus dem ganzen Bundesgebiet und sogar aus Österreich, der Schweiz, Belgien und Frankreich in den noblen Münchner Vorort. Taliban über Grünwalder Konsulat: "Führen unsere Befehle aus" Bei der Bürgerversammlung bestätigte ein Vertreter der Polizeidienststelle in Grünwald, dass der Verkehr vor dem Generalkonsulat stark zugenommen habe. Auch seien Beschwerden über chaotische Zustände eingegangen. Laut dem Bürgermeister hat die Polizei daraufhin den Kontakt mit dem Konsulat gesucht. "Und die haben sich bereit erklärt, den Abfall abends wegzuräumen und wollen eventuell auch Toiletten aufstellen", berichtet Neusiedl. "Offenbar ist die Polizei dort auf offene Ohren gestoßen." Mit der Presse will das Generalkonsulat nicht sprechen. Derweil sagte ein Taliban-Sprecher im Interview mit der Deutschen Welle über die Auslandsvertretung in Grünwald: "Sie sind rechenschaftspflichtig und führen unsere Befehle aus." Offenbar scheint das Generalkonsulat also einen guten Draht zu den Taliban zu haben und deren Weisungen zu befolgen. Die Menschen in Grünwald scheint all das jedoch nur bedingt umzutreiben. Und auch im Rathaus sagt Jan Neusiedl nur: "Auf Dauer funktioniert das sicher nicht, dass das Konsulat für ein so großes Gebiet zuständig ist." Doch alles andere, so der Bürgermeister, "ist hohe Politik".