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US-Wahl: Orakel Allan Lichtman über Donald Trump und Kamala Harris

Der Historiker Allan Lichtman gilt als berühmtestes Wahl-Orakel Amerikas. Wird seine Vorhersage auch dieses Mal stimmen? Was es mit seinen 13 Schlüsselfaktoren zum Weißen Haus auf sich hat und warum er daran glaubt. Bastian Brauns berichtet aus Washington Der renommierte US-Historiker und Wahlprognostiker Allan Lichtman hat schon viele Wahlergebnisse vorhergesagt – und damit seinem eigenen Bekunden nach stets richtig gelegen. Seine eher unkonventionellen Vorhersagen haben in den vergangenen Jahren immer wieder Aufsehen erregt. Unter anderem sagte er den Wahlsieg von Donald Trump im Jahr 2016 vorher. Auch für die aktuelle Präsidentschaftswahl hat er eine Prognose abgegeben. Bekannt ist Allan Lichtman dabei für sein einzigartiges System, das auf 13 Schlüsselfaktoren basiert. Im exklusiven t-online-Interview, direkt vor der Wahl, spricht er über seine eigene Nervosität, aber auch darüber, warum er nach wie vor an seine Methode und damit an einen Sieg von Kamala Harris glaubt. t-online: In wenigen Stunden werden wir hoffentlich wissen, wer die US-Präsidentschaftswahl gewonnen hat und ob Ihre Vorhersage erneut richtig war. Wie nervös sind Sie, Herr Lichtman? Allan Lichtman : Schauen Sie, ich bin 77 Jahre alt. Ich habe im April 1982, bei Ronald Reagans erneuter Kandidatur, damit begonnen, Wahlen vorherzusagen. Damals dachten 60 Prozent der Amerikaner, er sei zu alt, um erneut zu kandidieren. Seine Zustimmungswerte waren historisch niedrig. Meinungsforscher und Experten haben mich belächelt, als ich seine Wiederwahl vorhersagte. Das war auch 2016 so, als ich Trumps Sieg prognostizierte. Diese Vorhersagen machten mich in Washington , D.C., einer überwiegend demokratischen Stadt, in der ich an der American University lehre, nicht gerade beliebt. Trotzdem vertrauen Sie Ihrem Vorhersagesystem. Was macht Sie so sicher? Na ja, alle vier Jahre habe ich Schmetterlinge im Bauch. Aber meine Vorhersagen sind eindeutig im Gegensatz zu Meinungsforschern. Wieso das? Meinungsforscher geben Wahrscheinlichkeiten an, die es ihnen ermöglichen, im Nachhinein zu behaupten, sie hätten "recht" gehabt, egal, wie das Ergebnis ausfiel. Zum Beispiel konnte jemand wie der Meinungsforscher Nate Silver 2016 sagen, dass es eine 70- bis 80-prozentige Chance gab, dass Hillary Clinton gewinnen würde. Als sie dann verlor, konnte er immer noch behaupten: "Sehen Sie, es gab ja noch eine 20-prozentige Chance, dass sie verlieren könnte." Man kann ihm nicht nachweisen, dass er unrecht hatte, aber auch nicht, dass er recht hatte. Dieses Mal aber beobachten wir einen Anstieg von Vorhersagen durch Wettmärkte. Hat das für Sie etwas verändert oder haben diese Wetten die öffentliche Meinung beeinflusst? Meine Lieblingskomikerin, die verstorbene Gilda Radner, hatte eine Figur namens Roseanne Roseannadanna, die sagte: "Irgendwas ist immer." In jedem Wahlzyklus gibt es eine neue Wendung, aber man kann ein System nicht aus einer Laune heraus ändern, ohne Fehler zu riskieren. Mein System, das sogar bis ins Jahr 1860 zurückgeht, habe ich retrospektiv entwickelt. Es hat massive gesellschaftliche Veränderungen überstanden – von der Zeit, bevor es Umfragen, Autos, Radio und Fernsehen gab, bis heute. Damals durften Frauen nicht wählen und die meisten Afroamerikaner waren versklavt. Trotz all dieser Veränderungen hat sich mein System bewährt. 2008 hieß es, Amerika sei nicht bereit für einen afroamerikanischen Präsidenten. 2016 dachten viele, Trumps Kontroversen würden ihn ruinieren. Ich lag beide Male richtig. Dann sprechen wir über Ihre berühmten "13 Schlüssel zum Weißen Haus". Könnten Sie uns diese kurz erklären? Natürlich. Meine Schlüssel messen die fundamentalen Kräfte, die US-Präsidentschaftswahlen bestimmen – im Wesentlichen, ob die Wähler der Partei, die an der Macht ist, zustimmen oder nicht. Dazu gehören die Anzahl der Parlamentssitze (basierend auf den Wahlen zum US-Repräsentantenhaus), Amtsinhaberschaft, innerparteilicher Wettbewerb, Anwesenheit einer dritten Partei, kurzfristige Wirtschaftslage, langfristige Wirtschaftslage, politische Veränderungen, soziale Unruhen, Skandale, außenpolitische/militärische Erfolge und Misserfolge sowie zwei Schlüssel zur Bewertung zum Charisma der Kandidaten. Wenn sechs oder mehr Schlüssel gegen die amtierende Partei sprechen, sagt das System deren Niederlage voraus. Weniger als sechs bedeuten einen Sieg. Wie sehen also Ihre Schlüssel für Kamala Harris aus? Sie haben schon vor zwei Monaten vorhergesagt, dass sie gewinnen wird. Ja, ich habe am 5. September vorhergesagt, dass Kamala Harris die erste weibliche Präsidentin und die erste Präsidentin mit gemischter afroamerikanischer und asiatischer Abstammung werden wird. Sie ist gewissermaßen eine Vorahnung dessen, wohin sich Amerika hinentwickelt. Wir werden schnell zu einem Land mit einer Mehrheit von Minderheiten. Alte weiße Männer wie ich sind auf dem absteigenden Ast. Die Schlüssel, die gegen sie sprechen, sind trotzdem: Parlamentssitze; die Demokraten haben 2022 Sitze im Repräsentantenhaus verloren. Amtsinhaberschaft; der amtierende Präsident kandidiert nicht und die Vizepräsidentin zählt nicht. Außenpolitische Misserfolge; die anhaltende Krise im Nahen Osten. Und Ausstrahlung; Harris ist zwar fähig, erreicht aber nicht das Niveau von Persönlichkeiten wie Franklin Roosevelt. Und Kamala Harris ist auch kein Barack Obama ? Genau. Obama war auch so ein außergewöhnlich seltener Kandidat, wie er nur einmal in einer Generation vorkommt. Harris ist solide, aber nicht in dieser außergewöhnlichen Liga. Sie hat also vier Schlüssel, die gegen sie sprechen. Das sind aber zwei weniger, als nötig wären für eine Niederlage. Das Charisma, das einem Kandidaten zugeschrieben wird, ist aber doch etwas sehr Subjektives. Charisma ist wahrscheinlich mein umstrittenster Schlüssel, dabei ist auch der sehr klar. Die Leute sagen mir immer: "Wie können Sie behaupten, Trump sei nicht charismatisch?" Darum geht es aber nicht. Es geht darum, ob Donald Trump ein Ronald Reagan oder ein Franklin Roosevelt ist. Also ein einmaliger Kandidat, der eine sehr breite Masse ansprechen kann. Diesen Eindruck kann man aber gewinnen, wenn man im Land umherreist. Donald Trump passt eindeutig nicht in dieses Schema. Im Gegenteil: Er spricht eine schmale Basis an, so leidenschaftlich diese auch sein mag. In seinen vier Jahren als Präsident lag seine durchschnittliche Zustimmungsrate in der Umfrage des Gallup-Instituts bei 41 Prozent, also historisch gesehen genau am unteren Ende aller Präsidenten. In zwei aufeinanderfolgenden Wahlen hat er die Stimmen der Bevölkerung mit 10 Millionen Stimmen verloren. Und seine Zustimmungsrate verharrt weiterhin im niedrigen bis mittleren 40-Prozent-Bereich. Das liegt auch weit unter der Zustimmungsrate von Kamala Harris. Was sind die Schlüssel, die für Kamala Harris sprechen? Es ist wichtig zu betonen, dass alle Schlüssel gleich gewichtet sind. Was für sie spricht, ist der innerparteiliche Wettbewerb. Denn auch ohne Vorwahlen haben sich die Demokraten hinter ihr versammelt. Es fehlt die Bedrohung durch eine dritte Partei. Die unabhängige Kandidatur von Robert F. Kennedy Jr. ist quasi verpufft. Die Inflation beschäftigt aber viele Wählerinnen und Wähler. Insgesamt haben wir aber wirtschaftliche Stabilität. Es gibt keine Rezession im Wahljahr, und die Wirtschaft boomt mit einem Wachstum von 2,8 Prozent im vergangenen Quartal. Es gab einen messbaren Politikwechsel, also signifikante Änderungen gegenüber der Trump-Ära. Es gibt keine anhaltenden sozialen Unruhen und Skandale. Auch bei Joe Biden gab es keinen Skandal, der ihn so belastet hätte, wie es historisch bereits bei Präsidenten der Fall gewesen ist. Zudem zählt Bidens Führung in der Ukraine als außenpolitischer Erfolg. Er allein hat die Koalition aufgebaut, Putins Vorstöße eingedämmt und die Sicherheit des Westens aufrechterhalten. Welchen Einfluss hat der Wahlkampf dann überhaupt? Was ist mit den Attentatsversuchen auf Trump oder mit seinen kurzfristigen PR-Manövern wie seinem Auftritt bei McDonald's? Das ist das Schöne an meinen Schlüsseln. Sie durchschneiden quasi das Rauschen von Kampagnenmanövern, von Medienberichterstattung und Social-Media-Viralitäten. Mein Rat: Konzentrieren Sie sich auf das große Ganze. Wahlkampftaktiken übersetzen sich nicht in Sieg oder Niederlage. Zum Beispiel konnte Hillary Clintons gut finanzierte, gut organisierte Kampagne 2016 nicht verhindern, dass sie verlor. John Kerry gewann die Debatten 2004 und verlor trotzdem. Kampagnen sind schwer objektiv zu messen. Nach einer Niederlage sind die Experten schnell dabei, Erklärungen zu finden. Als Mitt Romney gegen Barack Obama verlor, sagten einige Experten, es liege daran, dass er nicht konservativ genug war. Andere meinten, er sei zu konservativ gewesen. Meine Schlüssel vermeiden all diese Unklarheiten. Einige Leute kritisieren Ihre Schlüssel als zu simpel. Das sind sie aber nicht. Diese Einfachheit ist ihre Stärke – sie erlauben es, sich auf grundlegende Faktoren zu konzentrieren, die sich als ausschlaggebend erwiesen haben, anstatt sich in den Details zu verlieren. Die Vorhersagen der Schlüssel basieren nicht auf Meinungsumfragen, die oft kurzfristige Trends abbilden, sondern auf grundlegenden Kräften, die langfristig wirken. Aber auf welcher Grundlage messen Sie wiederum Ihre Schlüssel? Dafür benötigen Sie doch ebenfalls Umfragen, um zu verifizieren, was die Leute über etwa Ihren Schlüssel "Ausstrahlung des Kandidaten" denken? Sicher, aber ich benutze keine Umfragen, die wie Wetten auf Pferderennen wirken. Die führen nur in die Irre. Meine Vorhersagen zu Reagan, zu Bush oder Trump standen immer im Widerspruch zu solchen Umfragen. Es wird wirklich so getan, als wären wir bei einem Pferderennen, bei dem die Kandidaten je nach den täglichen Ereignissen ihrer Kampagne vorankommen oder zurückfallen. Das führt zu der Art von trivialen, von Schnappatmung gesteuerten, negativen Wahlkämpfen. Dann hätten Trump und Harris sich den Wahlkampf also sparen können? Wenn man an die Schlüssel glaubt, dann weiß man, dass diese konventionellen Kampagnen nicht funktionieren. Stattdessen hätten sie auf einen Wahlkampf mit Substanz und einer Vision setzen können. Wenn man dann gewinnt, hat man ein eindeutiges Mandat, das dabei hilft, zu regieren. Wenn man verliert, hat man dem Land zumindest einen Stempel aufgedrückt. Was würde passieren, wenn jetzt kurz vor knapp noch ein großer Skandal aufploppt? Wissen Sie, die sogenannte "Oktober-Überraschung" ist der größte Mythos in der amerikanischen Politik. Seit mehr als 40 Jahren mache ich diese Vorhersagen bereits im September und sie haben sich bis zur Wahl im November nie geändert. Meine Prognose für Trump blieb konstant, selbst als 2016 die wohl größte "Oktober-Überraschung" der modernen Politik aufkam: das Tonband, in dem Trump damit prahlte, wie er Frauen sexuell angreift. Sie haben sich über die vielen Jahre einen Status als Wahl-Orakel und Prognostiker erarbeitet. Sie werden deshalb auch bedroht. Was erleben Sie da? Ich möchte nicht ins Detail gehen. Nur so viel: Offen gestanden habe ich in diesen über 40 Jahren die gleichen Kritiken an mir tausendmal gehört. Aber ich habe noch nie zuvor so viel Hass erlebt wie dieses Mal. Die Anfeindungen gegen mich sind schändlich, vulgär, gewalttätig und bedrohlich. Die Sicherheit meiner Familie ist gefährdet. Wir mussten die Polizei benachrichtigen und erhebliche Schutzmaßnahmen ergreifen. Das ist gänzlich neu, und ich führe es auf das toxische politische Klima zurück, das Donald Trump seit der Anstiftung zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 geschaffen hat. Was meinen Sie genau? 140 Polizisten wurden verletzt. Menschen kamen in der Folge der Ereignisse ums Leben. Das hat einen Zyklus von Gewalt und Hass in Gang gesetzt, wie wir ihn noch nie zuvor erlebt haben. Wir hatten noch nie einen Präsidentschaftskandidaten, der damit drohte, das Militär gegen amerikanische Bürger einzusetzen. Wenn er das Militär rufen würde, warum also nicht auch mich angreifen? Es ist eine schreckliche, toxische Atmosphäre, die Trump geschaffen hat. Es ist nicht das Problem beider Seiten. Wir sehen diese Art von Rhetorik nicht von Kamala Harris. Vielen Dank für das Gespräch, Mister Lichtman.