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E-Auto-Reifen: Mit einem Mythos räumt der Vergleichstest jetzt auf

Wie gut ein Reifen tatsächlich ist, zeigt sich manchmal erst im Ernstfall. Die Hersteller testen ihre Modelle deshalb gründlich. Ein Besuch auf einer Teststrecke. Mit 85 km/h rauscht der elektrische BMW i4 fast lautlos auf die bewässerte Bahn zu. Mit einem festen Tritt aufs Bremspedal geht der Fahrer in die Eisen, die Nase des Stromers nickt nach vorn, der Wagen kommt auf dem nassen Asphalt zum Stehen. Die Messtechnik im Inneren zeigt einen Bremsweg von 39,2 Metern an. Knapp zehn Meter mehr als beim vorherigen Test mit einem anderen Reifen. Ein bemerkenswertes Ergebnis: Diese zehn Meter hätten beim zweiten Auto eine Restgeschwindigkeit von gut 40 km/h an der Stelle bedeutet, an der das andere Auto bereits gestanden hätte. Einziger Unterschied zwischen den beiden BMWs: Es waren andere Reifen aufgezogen. Der Reifen gehört zu den unterschätzten Teilen am Auto, wenn es um Komfort und Sicherheit geht. Nicht alle bieten guten Grip in allen Situationen, aber auch nicht jeder ist für jedes Auto gleichermaßen geeignet. Auf dem Contidrom in Jeversen in der Nähe von Hannover testet der Zulieferer Continental seit 1967 seine in Europa entwickelten Reifen. Aber auch Autohersteller, andere Zulieferer und der ADAC mieten sich auf dem Gelände ein. Anforderungen an Reifen haben sich verändert Beim Pressetermin auf dem 1,6 Quadratkilometer (rund 220 Fußballfelder) großen Areal will Continental vorrangig mit einem Mythos aufräumen: Es brauche spezielle Reifen für E-Autos, um den Spagat zwischen geringem Verbrauch und großer Sicherheit zu schaffen. Durch das Aufkommen der fast lautlosen, aber durch die Batterien auch schwereren Fahrzeuge mit beschränkten Reichweiten haben sich die Bedürfnisse bei der Entwicklung verschoben. "Reifen müssen auf einen niedrigeren Rollwiderstand zugunsten des Verbrauchs entwickelt werden, gleichzeitig müssen sie aufgrund des geringeren Geräuschpegels in einem E-Auto aber auch leiser und gleichzeitig lange haltbar sein", erklärt Andreas Hemmann, Produktmanager bei Continental. Dennoch hat sich das Unternehmen entschieden, keine Reifen speziell für E-Autos zu entwickeln. "E-Autos sind so verschieden wie solche mit Verbrennungsmotor", argumentiert Hemmann. Es gibt keine Anforderungen an Reifen, die nur für Elektrofahrzeuge gelten. Wie bei Elektrofahrzeugen ist auch der Trend bei Benzinern oder Dieseln in den vergangenen Jahren in Richtung größerer und schwererer Autos gegangen. Daher stellt Continental Reifen her, die sowohl zu Dieseln, Benzinern oder auch Hybriden oder E-Autos gleichermaßen passen, die Charakteristik des Autos widerspiegeln, so Hemmann: Ein Sportwagen, der hohe Geschwindigkeiten fährt, habe andere Anforderungen als ein Familienkombi oder ein Transporter, der vor allem schwere Lasten transportiert. Subjektive und objektive Faktoren zählen Beim Praxistest für die Journalisten kommen zum Vergleich drei verschiedene Reifen zum Einsatz, jeweils an ein baugleiches Fahrzeug montiert. Zwei der Reifen sind speziell für E-Autos konzipiert, stammen von anderen Herstellern. Einer, der von Continental, eignet sich für alle Autotypen. Beim Testen von Reifen geht es sowohl um objektive Kriterien wie Haftung oder Traktion als auch um subjektive Faktoren wie Präzision oder Fahrverhalten, erklärt Philipp Must aus der Forschung und Entwicklung. "Für die Erstausrüstung entwickeln wir unsere Reifen auch auf Vorserienfahrzeugen und in besonders enger Abstimmung mit dem Fahrzeughersteller, um die zum Teil sehr spezifischen Kundenanforderungen zu erfüllen." Auch die Geräusche, die ein Reifen erzeugt, sind wichtig für die Wahrnehmung. Daher werden die Innengeräusche auf Kopfsteinpflaster, Betonpisten und unterschiedlichen Asphaltstrecken bewertet. "Wir kennen uns besser aus mit Straßenbau als manch Straßenbauer", scherzt Must. Für die Typgenehmigung gibt es auf dem Gelände eine spezielle Akustikstrecke, die mit genormtem Bodenbelag und Richtmikrofonen ausgestattet ist, um das Außengeräusch zu erfassen. Achtmal muss ein Auto mit 80 km/h hier vorbeirollen (bei Verbrennungsmotoren mit ausgeschaltetem Motor), der Mittelwert wird weitergegeben. Fällt ein Reifen hier durch, müssen die Entwickler erneut ans Werk. Das europäische Reifenlabel gibt zwar Auskunft über die Lautstärke des Vorbeifahrgeräuschs, nicht jedoch über seinen Klang: "Heulende oder aufdringliche Geräusche schließen wir durch sehr aufwendige Simulationsverfahren bereits während des Entwicklungsprozesses aus", so Must. Geschwindigkeit und Handling sind wichtig Daneben sind auch Fahrgefühl und -sicherheit wichtig: Hohe Geschwindigkeiten bis 180 km/h können im 2,8 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsoval mit Steilkurven gefahren werden, im Trockenhandlingskurs bringen professionelle Fahrer die Pneus an ihre Belastungsgrenze. Und auf dem sogenannten Felgenabrollkreis prüfen die Entwickler, wie sich Reifen im Fall einer Panne verhalten: Von der Felge ablösen sollten sie sich auch bei geringem Reifendruck nicht. Mehrere hundert verschiedene Testmethoden sind auf dem Gelände möglich, rund 30 verschiedene Tests werden von den Autoherstellern gefordert, damit ein Reifen von ihnen für ein Modell zugelassen wird, sagt Must: "Reifen sind eine echte Wissenschaft." Viele Versuche sind mittlerweile automatisiert und ergänzen die Praxistests auf den Strecken. Noch vor dem ersten Prototyp können die Entwickler in einem Fahrsimulator Reifen auf der Strecke testen: In einer Halle steht ein Kasten, der von innen wie ein herkömmliches Auto ausgestattet ist. Auf Leinwänden wird die Strecke eingeblendet, der Simulator bewegt sich wie ein echtes Auto. "Damit können wir erste subjektive Eindrücke von Profi-Fahrern sammeln", erklärt Must. Rund 10.000 Fahrkilometer werden im Jahr durch den Simulator ersetzt, "das spart CO2 und wir müssen nicht auf die Prototypen warten", so Must. Technik aus der Achterbahn Fertige Reifen werden im sogenannten AIBA, dem Automated Indoor Breaking Analyzer (Automatisierte Bremsanalyse), in einer Halle getestet. Unter gleichbleibenden Bedingungen können hier Nass- und Trockenbremsungen durchgeführt werden: An einer Schiene geführt, wird ein Auto mithilfe eines elektromagnetischen Antriebs aus der Achterbahntechnik beschleunigt und mit immer gleichem Druck auf einer 300 Meter langen Bahn abgebremst. In der danebenliegenden Kältehalle können im kleinen Rahmen auch Tests auf Eis gestartet werden. Die ausführlichen Tests führt Continental dann in Schweden durch. Zum Abschluss geht es noch auf den Nasshandling-Kurs, wieder mit drei unterschiedlichen Reifen. Das schwache Modell aus dem Nassbremstest zeigt hier klar seine Defizite: Mit einem Ruck reißt das Heck des elektrischen BMW in der nassen Kurve aus, das Elektronische Stabilitätsprogramm regelt auf Hochtouren nach, damit die Limousine keine Schleuderpartie macht. Da hilft es nur, vom Gas zu gehen, bloß nicht zu bremsen und das Lenkrad ruhig zu halten. Nach einer Schrecksekunde fängt sich der Wagen wieder. Aber das Sicherheitsgefühl ist weg. Nicht nur der Rollwiderstand zählt beim E-Auto Dabei hatte dieses Modell – übrigens nicht von Continental – bei der Messung des Rollwiderstands auf trockener Strecke noch eine gute Figur gemacht: Der Rollwiderstand wirkt sich unmittelbar auf den Verbrauch aus, was vor allem bei Stromern eine Rolle spielt. Dort wies der Reifen noch sehr gute Werte auf. Bei Nässe und Belastung versagte er indes. Im Ernstfall bräuchte es einen geübten Fahrer, um das Auto wieder einzufangen. Die beiden anderen Reifen hingegen – einer von Conti, ein Modell aus China – halten den Wagen auch bei Aquaplaning in der Spur und hatten dennoch gute Rollwiderstandswerte vorzuweisen. Ob es nun um Spezialreifen für E-Autos oder um Reifen allgemein geht, ein Gedanke bleibt: Sie sehen zwar irgendwie alle gleich aus, doch wenn es darauf ankommt, reagieren Reifen sehr unterschiedlich. Doch das wird erst spürbar, wenn es hart auf hart kommt. Reifenkauf: Darauf sollten Sie achten Der ADAC hat einige Tipps zusammengestellt, worauf Sie beim Kauf auch von Gebrauchtreifen achten sollten, um auf Nummer sicher zu gehen: Profiltiefe prüfen : Mindestens 1,6 mm sind gesetzlich vorgeschrieben – empfohlen: 3 mm bei Sommer-, 4 mm bei Winterreifen. Reifenalter beachten : Nicht älter als 8 bis 10 Jahre fahren – beim Kauf auf junges Produktionsdatum (DOT) achten. Passende Reifengröße wählen : Angaben finden sich in der Zulassungsbescheinigung Teil I (Zeilen 15.1 und 15.2) oder im CoC-Dokument. Sommer-, Winter- oder Ganzjahresreifen ? : Ganzjahresreifen sind ein Kompromiss – bei extremem Wetter meist unterlegen. Reifen paarweise tauschen : Immer achsweise erneuern, besseres Profil auf die Hinterachse. EU-Reifenlabel beachten : Gibt Aufschluss über Nasshaftung, Rollwiderstand und Geräuschentwicklung. Reifenbreite : Schmale Reifen sind bei Nässe und Schnee oft im Vorteil, breite bei Trockenheit. Organisationen wie der ADAC oder auch Automagazine testen regelmäßig aktuelle Modelle für mehr Sicherheit beim Kauf. Auch bei t-online finden Sie regelmäßig die Ergebnisse solcher Tests.