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Deutscher Automarkt unter Druck: Chinas Autobauer überholen BMW und Co.

VW, Audi und BMW fuhren jahrelang satte Gewinne in China ein. Doch jetzt überholen die heimischen Hersteller sie nicht nur dort, sondern drängen auch nach Deutschland. Was uns nun droht. Viele Jahre lang prägten deutsche Autos das Straßenbild der Volksrepublik China . Die großen deutschen Konzerne zogen Fabriken in China hoch und erzielten Jahr für Jahr Milliardenumsätze. Doch obwohl der chinesische Automarkt weiterhin stark wächst, sind die Verkäufe deutscher Autos zuletzt stark eingebrochen. Denn mit starker finanzieller Unterstützung des Staates drängen immer mehr chinesische Hersteller auf den Markt, die Elektroautos zu günstigeren Preisen anbieten. Viele der teils noch sehr jungen Autobauer sind deutschen Konsumenten gänzlich fremd. Jedoch wohl nicht mehr lang – denn einige von ihnen drängen auf den deutschen Markt. Der China-Experte Frank Sieren hat sich das Phänomen angeschaut und ein Buch darüber geschrieben. Im Interview mit t-online erklärt er, warum sich die deutschen Hersteller warm anziehen müssen. t-online: Herr Sieren, wie ist es China gelungen, in so kurzer Zeit rund 130 Automarken und etwa ein Dutzend bedeutende Hersteller aufzubauen? Frank Sieren : Peking hat seinen E-Auto-Plan vor über 20 Jahren verkündet. Einige wichtige chinesische Player sind schon seit über 30 Jahren am Markt: BYD etwa, der weltgrößte E-Autohersteller. Oder Chery, das 2024 bereits 1,4 Millionen Autos exportiert hat. Aber auch Geely, dem Volvo und knapp zehn Prozent von Mercedes gehören. Andere wie Xiaomi und Huawei gehören schon lange zu den größten Smartphone-Herstellern. Sie haben ihr Produktions-, Vernetzungs- und Marketing-Know-how auf Autos übertragen. Im Vergleich zu deutschen Herstellern ist es dennoch eine kurze Zeitspanne. Welchen Anteil daran hatten deutsche Konzerne, die nach China gingen? Nur einen geringen. Es sind meist nicht die Joint-Venture-Partner der Deutschen, die sich durchgesetzt haben. Im Zentrum des Auto-Booms stehen Batterien und autonomes Fahren. Letzteres ist ein tiefgreifender Umbruch in der Mobilität, vergleichbar mit dem Umstieg von der Pferdekutsche auf den Verbrenner. Die Sorge, die Deutschen verscherbelten in China ihr Know-how, hat sich nicht bestätigt. Ach nein? Das weitergegebene Know-how spielt in diesem Innovationsschub eine randständige Rolle. Die Deutschen sind in wenigen Jahren vom Treiber zum Getriebenen geworden, nachdem sie jahrzehntelang die Richtung und das Tempo der globalen Autoindustrie bestimmt haben. Trotzdem sind deutsche Autos weltweit noch Statussymbole. Deutsche Hersteller haben in China, dem wichtigsten Wachstumsmarkt der Welt, bei den E-Autos einen Marktanteil von unter einem Prozent. Dass Porsche , das einst VW übernehmen wollte, nun aus dem Dax gefallen ist, spricht Bände. Welche deutschen Marken haben denn in China noch eine Zukunft? Das hängt davon ab, wie schnell es ihnen gelingt, sich auf die selbstbewussten chinesischen Kunden einzustellen. Fahrspaß war gestern. Dort geht es um autonomes Fahren in einer Art gut vernetzter Lounge. Und, dass Chinesen jetzt im Zweifel chinesische Autos kaufen, kann man ihnen kaum vorwerfen. Sie beschreiben insbesondere VW als Sanierungsfall. Ist das nicht übertrieben? Kaum, bei einem Gewinneinbruch von 30 Prozent 2024 und noch einmal so viel im ersten Halbjahr dieses Jahres. Der Boden ist noch nicht erreicht. Warum greifen denn die Chinesen so stark zum E-Auto? E-Autos sind in China günstiger als Verbrenner. Der Strom ist viel billiger, sie haben eine bessere Ladeinfrastruktur und man bekommt in den Megastädten schneller ein Nummernschild. Sind die Chinesen auch klimabewusster als die Europäer? Das Bild ist ambivalent. Einerseits sind sie die größten Klimaschützer der Welt: Allein im vergangenen Jahr haben sie mehr Photovoltaik-, Windkraft- und Wasserkraftanlagen installiert als der Rest der Welt zusammen. Aber? Andererseits sind sie die größten Umweltverschmutzer. Über die Hälfte ihrer Energie stammt immer noch aus Kohle. In absoluten Zahlen sind sie beim CO₂-Ausstoß als Land weltweit an der Spitze. Pro Kopf jedoch stoßen die Amerikaner weiterhin mehr Emissionen aus. Und wenn man die historische Belastung berücksichtigt, dann hat der Westen seinen „Umweltkredit“ längst aufgebraucht, während China oder Indien noch großen Spielraum haben. Ist es für deutsche Hersteller überhaupt noch sinnvoll, in China zu investieren? Oder sollten sie sich besser auf westliche Märkte zu konzentrieren? Es wäre töricht, sich aus dem weltgrößten Wachstumsmarkt zurückzuziehen. Es ist besser, die Herausforderung anzunehmen, was die Hersteller ja auch mit Hochdruck und ganz neuen Produkten tun. Die deutschen Hersteller haben also bisher nicht gut genug auf die chinesischen Bedürfnisse reagiert? Offensichtlich. Sie waren durchaus zu Recht stolz auf sich, aber eben so stolz, dass sie ihre Wettbewerber unterschätzt haben. Ein großer Fehler. Den Chinesen ist das im 19. Jahrhundert auch passiert. Sie haben die europäische industrielle Revolution unterschätzt und steckten dann 150 Jahre in der Krise. Heute wollen sie wieder das sein, was sie die meiste Zeit ihrer über 2000-jährigen Geschichte waren: eine innovative Weltmacht. In ihrem Buch "Der Autoschock" loben Sie chinesische Autos in den höchsten Tönen, für uns liest es sich teilweise wie eine Pressemitteilung für die chinesische Autoindustrie. Da bin ich in guter Gesellschaft. Schauen Sie sich mal die deutschen Fachmedien an, die ADAC-Tests oder die internationalen Medien. Von der amerikanischen New York Times bis zum britischen Economist – Lobeshymnen auf die neuen chinesischen Autos. Es bringt eben nichts, unsere Wettbewerber schlechtzureden. Sinnvoller ist es, deren Stärken schonungslos aufzudecken, damit sich bei uns etwas ändert. Aber wäre es nicht sinnvoll, sie auch kritisch zu beschreiben? Unsere Schwächen beschreibe ich sehr kritisch. Aber auch Chinas Schwächen: Ein Kapitel zum Beispiel dreht sich nur um die skrupellosen Methoden des Rohstoffabbaus für Batterien in Afrika. Was Sie in Ihrer Analyse bislang außen vor gelassen haben: Die Autoindustrie in China wurde stark vom Staat gelenkt und subventioniert. Jetzt tobt ein gnadenloser Preiskampf, die Hersteller unterbieten sich ständig und viele werden ihre Wagen nicht mehr los. Im Zentrum von Chinas Autoboom steht die Innovationskraft der Privatunternehmen. Staatliche Subventionen und Spielregeln erleichtern es ihnen, diese Innovationen auszurollen. Kurz: Wer innovativ ist, wird vom Staat belohnt. Der Staat subventioniert ja keine Trabbis. Was manche schon vergessen haben: Airbus wurde auch mit staatlicher Hilfe aufgebaut. Heute ist es global ein sehr wettbewerbsfähiges Unternehmen. Sie können das doch nicht mit Airbus vergleichen. China ist ein autoritäres System. Egal, in welchem System – Kaufanreize sind besser als Verbote. In China wird niemand gezwungen, ein E-Auto zu kaufen. In Europa wurde hingegen ein Verbrenner-Aus beschlossen. Wie man das eine und das andere nennt, bleibt jedem selbst überlassen. Sie deuten also an, Europa sei autoritärer als China? Das ist überzogen. Aber schaden kann es nicht, wenn der Staat und die Unternehmen in Europa endlich enger zusammenarbeiten würden, damit die deutsche beziehungsweise die europäische Wirtschaft gegenüber China wettbewerbsfähig bleibt. Das ist auch wichtig, wenn es darum geht, mit unseren Werten in der Welt zu überzeugen. Das gelingt nur, wenn wir wirtschaftlich stark sind. Warum blenden Sie in ihrem Buch den autoritären Charakter der Volksrepublik komplett aus? Das autoritäre System rollt die E-Autostrategie gezielt aus. Das geht bei uns so nicht. Sollten Sie damit aber meinen, Chinesen würden gezwungen, E-Autos zu kaufen oder gar bestimmte Marken zu fahren, dann kann ich damit nicht dienen, weil es nicht so ist. Die Chinesen kaufen derzeit ebenso viele Verbrenner wie E-Autos der Marke ihrer Wahl. Aber dafür müssen die Unternehmen in China politisch loyal sein. Ja. Die Staatsbetriebe werden nunmehr gnadenlos dazu gezwungen, marktwirtschaftlich wettbewerbsfähig zu werden, oder sie gehen unter. Die sind zum Teil in noch viel größeren Schwierigkeiten als die deutsche Autoindustrie. Die Interessen der privaten E-Autohersteller und des Staates hingegen laufen – derzeit – weitgehend parallel. Im Immobiliensektor liefen die Interessen irgendwann nicht mehr parallel. Nach einer gigantischen Urbanisierungswelle mit Hunderten von Millionen neuen Stadtbewohnern griff die Regierung mit Verschuldungsregeln hart gegen die aufgeblähte Bauindustrie durch – jetzt stehen große Firmen vor dem Aus, allen voran Evergrande. Droht das nicht auch im Autosektor? Immobilien und Autos kann man kaum vergleichen. Bei den Immobilien geht es um die Altersversorgung der Chinesen. Wenn die Immobilienblase platzt und Wohnungen dramatisch an Wert verlieren, ist die soziale Stabilität in Gefahr. Wenn Autos immer billiger werden, freut das die Kunden. Sie haben mehr Kaufkraft. Wenn der Staat den Automarkt konsolidiert, etwa mit strengeren Kreditvergaberegeln, werden die kleinen, unrentablen Produktionen von den großen größtenteils geschluckt. Dann produzieren sie aber unter einem neuen Besitzer weiter, weil der E-Auto-Markt noch stark wächst – 33 Prozent im ersten Halbjahr. Ein Effekt dieser Produktionsflut ist der Export aus China. USA und Europa versuchen, sich zu schützen. Was ist Ihre Prognose? Man kann sich kaum vor guten, preiswerten Produkten schützen. Das ist Trump-Denken. Der beste Schutz sind eigene, wettbewerbsfähige Produkte. Diesen Weg schlagen die deutschen Hersteller ja auch ein. Wenn sie das nicht schaffen, wird das Auto allerdings das gleiche Schicksal haben wie Fernseher, Kameras, Laptops oder Smartphones: In Asien entwickelt und produziert von dortigen Firmen. Importieren wir mit Autos aus China nicht auch repressive Werte aus der Volksrepublik? Mit Autos importieren wir keine repressiven Werte, aber man kann den Standpunkt vertreten, dass wir so ein repressives System unterstützen. Aber dann hätte man schon vor Jahrzehnten fordern müssen, auch keine Autos in China für China herzustellen. Lange kamen fast 50 Prozent der Gewinne von VW aus China. Ist das nicht naiv? Wenn chinesische Autos nach Europa exportiert werden, kann man den autoritären Kontext doch nicht ausblenden. Sicher nicht. Nur: Das gilt seit Jahrzehnten für fast alles, was wir täglich kaufen. Selbst für das US-iPhone, das fast ausschließlich in China hergestellt wird. Die Kunden haben sich entschieden: Die EU-Importe aus China sind in den vergangenen zehn Jahren um über 100 Prozent gestiegen. Aber könnte Europa den Import chinesischer Autos nicht politisch begrenzen? Die Autozölle werden bereits umgangen. Chinesen produzieren schon heute Autos in der EU. Im Übrigen sind die Kunden auch Wähler und finden es nicht lustig, wenn es preiswertere und bessere Autos in der Welt gäbe, die aber in Europa nicht verkauft werden dürfen. Sie leben bereits seit 30 Jahren in China. Wie regelmäßig sind Sie noch in Deutschland? Fast einmal im Monat. Und wann kommen Sie zurück nach Deutschland? Wenn es in China langweilig wird. Danach sieht es derzeit aber nicht aus. Herr Sieren, vielen Dank für das Gespräch!