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Bosch in der Krise: Was sind die Folgen für die deutsche Industrie?

Ein Weltkonzern, made in Germany. Große Tradition, Symbol deutscher Ingenieurskunst. Jetzt ist er in der Krise. Ob das ein Symbol für den Niedergang der deutschen Industrie ist, beurteilt unser Kolumnist. Stuttgart ist ein Zentrum der Autoindustrie, das ist nichts Neues. Drei Ortsnamen sind in der schwäbischen Metropole mit traditionsreichen Weltmarken verbunden, zwei davon können Sie auf Anhieb zuordnen: Untertürkheim – klar, Mercedes-Benz . Zuffenhausen – Porsche, ebenso klar. Der dritte Ort ist Feuerbach – wissen Sie, welche Marke dazu gehört? Die Antwort lautet: Bosch. Jenes Unternehmen, das gerade negative Schlagzeilen produziert. Noch einmal 13.000 Stellen sollen gestrichen werden, insgesamt sogar mehr als 20.000. Viele davon in Feuerbach, wo Robert Bosch vor über 100 Jahren seine erste Fabrik baute. Die Krise bei Bosch wird als Menetekel gedeutet, für die De-Industrialisierung Deutschlands, für das Ende unserer Autoindustrie, für den verloren gegangenen Vorsprung der deutschen Ingenieure. In sozialer Hinsicht wird ein Epochenbruch diagnostiziert. Robert Bosch wurde damals der "rote Bosch" genannt. Er hatte bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in der Hochzeit der kapitalistischen Ausbeutung, den Achtstundentag eingeführt. Und jetzt Massenentlassungen? Knallhartes Kostenmanagement zulasten der deutschen Arbeitsplätze vermutet die IG Metall hinter der Ankündigung, die "Süddeutsche Zeitung" schreibt vom Ende des "Wohlfühlunternehmens" Bosch. Mit Verlaub, das ist Unsinn. Der Reihe nach, erst ein kurzer Blick in die Geschichte. Als Robert Bosch die Arbeitszeit seiner Arbeiter verkürzte, war das zweifellos ein sozialer Fortschritt. Aber vor allem hielt er dies für wirtschaftlich vernünftig. Er konnte dadurch eine zweite Schicht einführen, außerdem wollte er die Leistungskraft der Beschäftigten erhalten. Die Ergebnisse bestätigten ihn: In der Achtstundenschicht wurde mehr produziert als zuvor in neun oder zehn Stunden. Schon damals legte übrigens der erste große Streik sein Werk lahm. Robert Bosch war kein Sozialromantiker, als Wohlfühlunternehmen wäre Bosch nicht 140 Jahre alt geworden. Zurück in die Gegenwart. Die Probleme von Bosch sind die Probleme der deutschen Autoindustrie . Das Geschäft mit Daimler , Volkswagen und Co läuft nicht rund. Und hohe Investitionen in die Elektromobilität und ins autonome Fahren rentieren sich längst nicht so schnell wie vor ein paar Jahren angenommen. Die Politik verschärft die Probleme: erst das abrupte Ende der E-Förderung in Zeiten der Ampelkoalition, jetzt das Hin und Her um das Verbrenner-Aus oder das Aus für das Verbrenner-Aus in der schwarz-roten Koalition. Bosch reagiert auf der Kostenseite: 2,5 Milliarden Euro sollen gespart werden. Ist also der Vorwurf, den die IG Metall gegenüber dem Management erhebt, berechtigt? Nicht einmal der härteste Gewerkschafter kann behaupten, dass sich bei Bosch gierige Aktionäre auf Kosten der Arbeitnehmer bereichern. Weil Bosch keine Aktionäre hat. Bosch ist nicht an der Börse notiert, es gibt keine Investoren, das Unternehmen gehört auch (bis auf einen ganz kleinen Prozentsatz) keiner Familie. Sondern einer Stiftung, die unter anderem in Stuttgart das Robert-Bosch-Krankenhaus betreibt, die sich für Bildung und für internationale Verständigung einsetzt. Auf die Unternehmenspolitik "ihrer" Firma hat die Bosch-Stiftung allerdings nicht den mindesten Einfluss. Der Mann ohne Silhouette Aber einer muss doch das Sagen haben bei diesem Weltkonzern mit seinen fast 500 Tochtergesellschaften in 60 Ländern, mit über 400.000 Mitarbeitern, mit einem Umsatz von mehr als 90 Milliarden Euro? Ja, ein Mann hat das Sagen: Stefan Asenkerschbaumer. Nie gehört? So geht es den meisten, er ist ein weithin Unbekannter. Er tritt nicht in Erscheinung, gibt keine Interviews, formuliert nicht öffentlich, was er von der Regierung erwartet. Er gehört zu einem vertraulichen Beraterkreis von Friedrich Merz , aber das ist natürlich vertraulich, also nur unter uns. Asenkerschbaumer entscheidet über die Strategie von Bosch und darüber, wer als Geschäftsführer das Unternehmen führt. Er steht an der Spitze einer Treuhandgesellschaft, die nur einen winzigen Anteil am Bosch-Kapital hält, Größenordnung 0,01 Prozent. Trotzdem verfügt sie über mehr als 90 Prozent der Stimmrechte, also über die Macht. Das heißt: Über das Schicksal von Bosch bestimmen nicht Eigentümer, auch der oft gebrauchte Terminus "Stiftungsunternehmen" führt in die Irre. Bosch wird von einer verschwiegenen Managerelite geführt, die ihre Nachfolger jeweils aus den eigenen Kreisen rekrutiert. Bosch entzieht sich dem Finanzkapitalismus Dieses System garantiert die Unabhängigkeit des Unternehmens. Eine feindliche Übernahme ist ausgeschlossen, eine freundliche auch. Kein Gesellschafter kann Kasse machen, der Gewinn bleibt in der Firma, bis auf einen kleinen Teil, der an die Stiftung fließt. Fonds und Banken haben keinen Einfluss, Bosch entzieht sich dem Finanzkapitalismus. Das funktioniert, allerdings nur unter einer Voraussetzung: Das Unternehmen muss profitabel sein. Wenn nötig, mithilfe strikter Kostendisziplin. So wie jetzt. Bosch ist das Gegenteil eines Start-ups, nicht nur wegen der langen Traditionslinie. Start-ups stürzen sich in Schulden, um ihre Innovationen zu finanzieren; ihre Geldgeber setzen darauf, dass sich das Investment irgendwann auszahlt. Bosch dagegen finanziert seine Investitionen aus eigenen Mitteln, der Gewinn sichert die Zukunft. Eine Zukunft, die Milliarden erfordert, denn Bosch ist – traditionell – ein Technologieunternehmen, eine Innovationsmaschine. Zahlen lügen nicht Robert Bosch hat einst die Zündkerze erfunden. Seine Nachfahren haben die Elektronik ins Auto gebracht: die Lambdasonde, das Anti-Blockiersystem (ABS), die elektronische Motorsteuerung. Heute, im Zeitalter der heraufziehenden Elektromobilität, positioniert sich Bosch als Hightech- Zulieferer der Autoindustrie : Was sich hinter Produkten wie dem Charger-Converter, der e-Achse und Siliziumkarbid-Halbleitern verbirgt, kann ich Ihnen nicht erklären, da müssen Sie einen Ingenieur fragen. Aber die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Allein in die Chipfabriken in Dresden und Reutlingen investiert Bosch gerade drei Milliarden Euro, mehr als sieben Milliarden fließen jährlich in Forschung und Entwicklung. An der Zukunft spart Bosch also nicht. Sondern dort, wo das Unternehmen Einspritzpumpen für Dieselmotoren fertigt, die immer weniger nachgefragt werden. Oder wo elektrische Fensterheber vom Band laufen; die kann man in anderen Ländern kostengünstiger bauen. Solche Einschnitte treffen vor allem den Standort Feuerbach, den größten im Weltreich Bosch. Aber ausgerechnet hier, im alten Arbeitervorort, hat Bosch auch seinen neuen IT-Campus für 2.000 Mitarbeiter gebaut, hier begegnen sich Vergangenheit und Zukunft auf Augenhöhe. Vielleicht werden sie streiken Machen Sie sich Sorgen über die Zukunft der deutschen Industrie? Ja, dafür gibt es Anlass. Weil die Stahlkonzerne an der Ruhr vor ungewissen Zeiten stehen, auch die Chemie- und Pharmariesen, vielleicht sogar Mercedes und Porsche. Aber wegen Bosch müssen Sie sich keine Sorgen machen. Bosch ist kein Symbol der De-Industrialisierung und des Niedergangs, sondern ein Symbol der Veränderung, neudeutsch der Transformation. Für die Beschäftigten, deren Arbeitsplatz dieser Transformation zum Opfer fällt, ist das kein Trost. Viele von ihnen sind "Boschler", seit sie denken können. So wie Frank Sell, der Betriebsratschef. Er kam schon im Robert-Bosch-Krankenhaus zur Welt, schafft in dritter Generation beim Bosch, wie man im Schwäbischen sagt. In diesen Tagen zieht er ein T-Shirt mit dem Konterfei von Robert Bosch an, wärmt die Geschichte vom angeblich roten Bosch auf, beschwört den sozialen Zusammenhalt. Vielleicht werden sie streiken in Feuerbach. Das wäre nichts Ungewöhnliches: Seit über hundert Jahren tragen die Metaller in diesem Werk ihre heftigsten Arbeitskämpfe aus. Am Ende wird man sich einigen, es wird keine Massenentlassungen geben, der Wandel wird sozial abgefedert, so gut es geht. Weil Bosch keine Story für die Börse braucht und weil auch die Unternehmensleitung in langen Linien denkt. Stefan Asenkerschbaumer, der oberste Chef im Hintergrund, ist seit fast 40 Jahren bei Bosch. Er kam als Trainee, stieg bis zum Finanzchef auf. An die Spitze der Treuhandgesellschaft wurde er nicht berufen, um als Revolutionär die Tradition zu zerschlagen. Sondern um in revolutionären Zeiten die Kontinuität zu sichern. Schon damals, bei Robert Bosch, hieß Kontinuität Veränderung, nicht Stillstand.