G20-Gipfel in Südafrika: Trump sprengt es
Südafrika wollte beim G20-Gipfel soziale Ungleichheit und den Kampf gegen die Klimakrise ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit rücken. Aber die Gastgeber wurden von dem Ukraine-Vorstoß von Donald Trump überrascht. Aus Johannesburg in Südafrika berichtet Patrick Diekmann. Wenn Busani sich an das Steuer seines weißen BMWs setzt, sieht er sich nicht nur als Fahrer, der Menschen von A nach B transportiert. Der 41-Jährige bietet sich Reisenden aus dem Ausland auch als Fremdenführer an. "Johannesburg ist großartig, eine Stadt mit sehr vielen Möglichkeiten. Man muss nur die richtigen Leute kennen", sagt er, als er am Freitag durch die Innenstadt der Millionenmetropole fährt. Sie seien "Afrikaner" und vieles laufe hier ein wenig anders als in Deutschland. Die Menschen seien draußen, feiern und trinken freitagabends auf der Straße. "Und wenn du von der Polizei angehalten wirst, machst du ihnen ein Angebot", erzählt Busani mit einem Augenzwinkern. Trotzdem sehe man in Südafrika überall Fortschritt. Er zeigt auf ein großes Einkaufszentrum am Straßenrand. In seinen Augen sind die großen "Shopping Malls" ein Zeichen dafür, dass sich Südafrika weiterentwickelt. Doch über ein Thema fällt es Busani sichtlich schwer, zu sprechen. "Hier gibt es auch viele böse Menschen", meint er mit Blick auf die Kriminalität in Johannesburg. Der Familienvater sei auf seinen Fahrten durch die Stadt vorsichtig. Das Auto sei stets von innen verriegelt, aus Angst, Räuber könnten die Türen öffnen, wenn er an einer Ampel hält. In kaum einem Land sind die Probleme mit Kriminalität so groß wie in Südafrika, in keinem afrikanischen Land gab es 2024 mehr Morde. Die Straßen in Johannesburg sind gesäumt von hohen Zäunen, Hotels werden durch schwer bewaffnetes Sicherheitspersonal bewacht. Wer etwas zu verlieren hat, der versteckt es hinter hohen Mauern, besonders dann, wenn es dunkel ist. "Gehe nachts nie alleine nach draußen. Die Polizei muss selbst öffentliche Busse schützen, weil diese sonst von Banden ausgeraubt werden", erzählt Busani. Sein Blick wird ernster. "Ich bin ehrlich: Bevor das G20-Treffen nach Johannesburg kam, wusste ich gar nicht, was die G20 sind." Aber es sei gut, dass mächtige Staaten nach Südafrika kommen. "Das ist für alle Afrikaner ein gutes Signal. Vielleicht kann die Welt dadurch gerechter werden. Menschen werden auch kriminell, weil sie arm sind. Verstehst du, was ich meine?" Genau das ist die Hoffnung, die viele Südafrikaner mit Blick auf das G20-Treffen am Wochenende in Johannesburg haben: eine gerechtere Welt, in der Reichtum besser verteilt wird. Busani wisse wenig über die großen geopolitischen Konflikte in der Welt, er könne nicht einmal sagen, wo Deutschland genau liegt. Er hoffe darauf, dass die Welt sich mehr für Themen interessiert, die auch für sie als Afrikaner wichtig sind. Und ebendiesen Fokus auf soziale Themen und auf den Kampf gegen die Folgen des Klimawandels wollte Südafrika auf dem Gipfel setzen. Doch bei Beginn ist klar: US-Präsident Donald Trump hat den G20-Gipfel – trotz der Nichtteilnahme der USA – inhaltlich gesprengt. G20-Gipfel in Südafrika: Es ist eine Schande Lawrow nicht bei G20-Treffen: Putin greift durch Zusammenarbeit ohne die USA? Trump ist gleich in mehrerer Hinsicht zur Belastung für den G20-Gipfel in Südafrika geworden. Erst sagten die US-Amerikaner ab, beschimpften die südafrikanische Regierung dafür, angeblich einen "Genozid" an weißen Bauern zu verüben. Das stimmt nicht. Noch mehr waren dem US-Präsidenten die thematischen Schwerpunkte des Treffens in Johannesburg ein Dorn im Auge. Trump glaubt aus ideologischen Gründen nicht an die Klimakrise, sieht internationale Zusammenarbeit kritisch. Die Absage der Amerikaner war deshalb keine Überraschung, sie passt zum Zeitgeist. Ein Zeitgeist, in dem ein US-Präsident vor allem die eigenen Interessen verfolgt. Dagegen wehrt sich am Samstag vor allem Gastgeber Südafrika. "Die G20 unterstreicht den Wert und die Relevanz des Multilateralismus", sagte Präsident Cyril Ramaphosa in seiner Eröffnungsrede im Expo Center. "Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, können nur durch Zusammenarbeit, Kooperation und Partnerschaften bewältigt werden." Eine indirekte und diplomatisch verpackte Kampfansage an Trump. Doch der Stuhl der USA bleibt leer. Zwar sind auch China , Mexiko , Saudi-Arabien , Russland und Argentinien nicht mit ihren höchsten Repräsentanten vertreten, trotzdem verhandeln in Südafrika Delegationen aus diesen Ländern mit. Die Gastgeber bestimmt maßgeblich die Agenda. Die wirtschaftsstärksten Industrie- und Schwellenländer sprechen zunächst über nachhaltigen Handel, über die hohe Schuldenlast vieler Staaten und über Wirtschaftswachstum, welches kein Land zurücklassen soll. Am Nachmittag geht es dann um die Bewältigung der Folgen des Klimawandels. All das sind Themen, die für viele Länder des Globalen Südens wichtig sind. Aufregung um Ukraine-Plan Doch in Wahrheit hat Donald Trump in den vergangenen Tagen dafür gesorgt, dass ein ganz anderes Thema an diesem Wochenende für die westlichen G20-Vertreter dominiert: der russische Krieg in der Ukraine . Überraschend hatte der US-Präsident die Ukraine unter Druck gesetzt, einem 28-Punkte-Plan für einen möglichen Frieden zuzustimmen. Darin soll die ukrainische Regierung gezwungen werden, unter anderem Gebietsabtretungen an Russland und einer Verkleinerung der eigenen Armee zuzustimmen. Trump hat mit diesem Ukraine-Plan die G20 in helle Aufregung versetzt. Bereits am Samstagvormittag trafen sich in Johannesburg die Europäer, um einen gemeinsamen Kurs mit Blick auf den US-Plan abzustimmen. Für sie ist die Entwicklung alarmierend. Europa war bei den Verhandlungen mit Russland nicht involviert, Trump handelte auch über ihre Köpfe hinweg. Europäische Diplomaten sind sich einig: Weder die Ukraine noch die Europäer können Trumps Plan eigentlich zustimmen. Sie sehen den Plan als Kapitulationserklärung, der alle russischen Kriegsziele erfüllt. Kremlchef Wladimir Putin könnte damit in ein paar Jahren erneut angreifen, um sich den Rest der dann abgerüsteten Ukraine zu holen. In einer Erklärung lehnten am frühen Nachmittag dann auch mehrere europäische Staaten gemeinsam mit Kanada und Japan den Plan in der aktuellen Form ab. Zudem sei für Sonntag eine Verhandlungsrunde zwischen Europäern, der Ukraine und den USA in Genf geplant, heißt es aus Regierungskreisen. Trotz der Klarheit, mit der alle Unterstützer der Ukraine Trumps Plan ablehnen, herrscht in Südafrika trotzdem helle Aufregung. Denn es ist offenbar das zentrale Ziel der Ukraine und auch der Europäer, Trump nicht völlig vor den Kopf zu stoßen. Sie schlucken den Ärger über den US-Präsidenten herunter, in der Hoffnung, dass dieser am Ende doch irgendwie im Ukraine-Krieg engagiert bleibt. Einen möglichen Alternativplan der Europäer wird Kremlchef Wladimir Putin dagegen wahrscheinlich ablehnen. Warum sollte Moskau etwas annehmen, was im Zweifel für Putin schlechter als das US-Angebot ist? Um das Schlimmste doch noch zu verhindern, tun die Europäer wie gewohnt das, was ein britischer Fernsehreporter in Johannesburg am Samstag als "Trump-Pleasing" beschreibt. Es geht darum, Trumps Pläne sehr ernsthaft zu prüfen, obwohl eigentlich klar ist, dass die Folgen für den Westen abzüglich der USA katastrophal wären. Deswegen wird auch Bundeskanzler Friedrich Merz bei einem Pressestatement im Zuge des G20-Gipfels überraschend deutlich. Er sehe zwar eine "Chance für Frieden". Aber: "Kriege können nicht beendet werden durch Großmächte über die Köpfe der beteiligten Länder hinweg", so Merz. "Eine Beendigung des Krieges kann es natürlich nur dann geben, wenn es eine uneingeschränkte Zustimmung der Ukraine gibt." Das sendet eine deutliche Nachricht an Washington : Wenn Trump seinen Plan nicht anpasst, steht er ab Donnerstag alleine dar – oder eben an der Seite Putins. Ob die Europäer dagegen auf die Folgen eines Bruches mit den Amerikanern vorbereitet sind, das lässt Merz an diesem Samstag offen. Schmerzen überwiegen Fest steht nur: Die Strategie, den US-Präsidenten mit aller Kraft am Tisch zu halten, kommt an ihre Grenzen. Merz und die Europäer sind zunehmend verärgert. Trump will Frieden um jeden Preis – ihm ist egal, wie nachhaltig und gut dieser Frieden für Europa ist. Dabei sieht er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aktuell als schwach. Immerhin hat die Ukraine nicht nur innenpolitisch mit einem Korruptionsskandal zu kämpfen, sondern kann sich auch kaum gegen die russischen Angriffe auf die eigene Energieinfrastruktur wehren. Trump nutzt diese Schwäche aus, um Selenskyj unter Druck zu setzen. Das ist die bittere Realität, mit der sich die Verbündeten der USA beschäftigen müssen. Aber die Kopfschmerzen vieler westlicher Staaten gehen noch weit über die Ukraine-Frage hinaus. Schon früh beim G20-Gipfel in Johannesburg ist klar: Trump ist eine der größten Gefahren der aktuellen Zeit – auch, weil auf politische Zusicherungen aus Washington kaum mehr Verlass ist. Trotzdem hat die G20-Abschlusserklärung schon zuvor einen überschaubaren Wert, weil die Amerikaner eben nicht mit am Tisch sitzen. Ein Dilemma. Deshalb überwiegt am ersten offiziellen Tag bei vielen Teilnehmern des G20-Treffens der Schmerz, den Trump verursacht hat. Für Fahrer Busani gibt es trotzdem keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Es sei gut, dass viele Politiker aus dem Ausland nach Johannesburg kommen. So könne Südafrika zeigen, dass es ein solches internationales Treffen organisieren kann. "Es ist ein erster Schritt. Bevor die Weltmeisterschaft (Anm. d. Red.: im Jahr 2010) nach Südafrika kam, habe ich mich auch nicht für Fußball interessiert", sagt er. Er dreht sich zu den Fahrgästen auf der Rückbank um, lacht. "Als ich die G20-Werbung gesehen habe, habe ich im Internet viel darüber gelesen. Ganz ehrlich: Viel schlechter als ihr in Hamburg (Anm. d. Red.: 2017) werden wir es schon nicht machen."
