Fehlermeldung

Deprecated function: Array and string offset access syntax with curly braces is deprecated in include_once() (line 20 of /mnt/web715/a0/94/5496894/htdocs/automotivemedia-cms/includes/file.phar.inc).

Silvester: Warum ein Böllerverbot in Städten so wichtig wäre

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser, wenn Sie den "Tagesanbruch"-Newsletter abonnieren möchten, nutzen Sie bitte diesen Link. Dann bekommen Sie ihn jeden Morgen um 6 Uhr kostenlos per E-Mail geschickt. Und hier ist der Tageskommentar: Der deutsche Staat ist ein übereifriger Erzieher. Er schreibt vor, mit wie vielen Dezibel der Staubsauger am Sonntag brummen darf, wann der Rasenmäher zu schweigen hat und welche Farbe die Rettungsweste auf dem Tretboot haben muss. Kommunale Satzungen regeln die Höhe von Gartenhecken, die Breite des Gehwegs vor der Einfahrt, das korrekte Sortieren von Kaffeesatz und Bananenschale. Es ist höchste Zeit, diesen Vorschriftendschungel zu lichten und einen Haufen deutscher Verordnungen in den Bürokratie-Ruhestand zu schicken. In einem Bereich jedoch zeigt sich der Staat erstaunlich schüchtern. Ausgerechnet dort, wo seine Einmischung Menschen, Tiere und Nothelfer wirklich schützen würde: in der Silvesternacht. Am 31. Dezember verwandeln sich die Innenstädte von Berlin, Köln, München, Frankfurt und anderen Metropolen Jahr für Jahr in Kriegsschauplätze: Dann wird in Straßenschluchten und inmitten von Menschenmengen pyrotechnisch die Sau rausgelassen. Benebelt von Alkohol, Adrenalin und Machismo feuern junge Typen drauflos, als gäbe es kein Morgen. Dass diese hemmungslose Böllerei als Ausdruck von Freiheit verkauft wird, zählt zu den blödsinnigsten Behauptungen der an Blödsinn nicht gerade armen Republik. Die Folgen sind gravierend. Zwischen Dönerbude und Drogeriemarkt gehen nicht nur harmlose Knallerromantiker zu Werke, sondern auch jene notorischen Spinner, die mit martialischen, oft illegalen Böllern, Kugelbomben und Schnellfeuer-Schreckschusspistolen Krieg spielen wollen. Der Zoll fängt jedes Jahr tonnenweise verbotene Pyrotechnik aus dem Ausland ab, Berliner Ermittler fanden in einer einzigen Wohnung Hunderte Kilogramm illegaler Feuerwerkskörper – ein privates Munitionslager im Mietshaus. Es ist nur die Spitze des Eisbergs, der Rest explodiert auf den Straßen. Die Bilanz des vergangenen Jahreswechsels war alarmierend: Mindestens fünf Menschen kamen beim Hantieren mit Feuerwerkskörpern in der Silvesternacht ums Leben, bundesweit wurden mehr als hundert Verletzte dokumentiert. Allein das Unfallkrankenhaus Berlin behandelte 42 schwerverletzte Bölleropfer – mit abgerissenen Fingern, verbrannten Gesichtern, verlorenen Augen und zerfetztem Gehör. Der Bundesärztekammer zufolge landen Jahr für Jahr Tausende Menschen nach Kontakt mit privatem Feuerwerk in den Notaufnahmen. Das muss alles nicht sein. Gegen Silvester an sich ist nichts einzuwenden. Partys, Rausch und Ausgelassenheit sind klasse, auch Feuerwerk kann wunderschön sein – wenn es dort entzündet wird, wo genug Himmel, Platz und Abstand sind. Das Problem ist nicht die Rakete an sich, sondern ihr Abschussort zwischen Hausecke, parkenden Autos und Kinderwagen. Deshalb tasten sich manche Städte seit einigen Jahren an neue Wege heran: In Frankfurt gelten Teile der Innenstadt als böllerfreie Zone, in München ist das Abbrennen von Feuerwerk innerhalb des Mittleren Rings verboten, Köln, Düsseldorf, Hannover oder Erfurt sperren Altstädte und Plätze für Privatfeuerwerk. Alles richtig, aber eben ein Flickenteppich: Hier ein Marktplatz, dort eine Brücke – hundert Meter weiter herrscht dafür Ausnahmezustand. Man könnte es viel einfacher haben. Es braucht ein einziges Gesetz, gültig für einen einzigen Tag: Zum Jahreswechsel sind in sämtlichen Innenstädten private Böller und Raketen tabu. Punkt. Die Parlamentsmehrheit im Bundestag müsste nur einmal den Mut haben, dieses partielle Böllerverbot zu beschließen. Vielleicht gäbe es einen kurzen Aufschrei von Pyrotechnikfirmen, Hitzköpfen und anderen Knallfröschen. Aber schnell wäre Ruhe. Geknallt und gezündelt werden dürfte weiterhin – aber bitte in Parks, an Ausfallstraßen, auf freien Flächen am Stadtrand und auf dem Land, wo der Funkenflug nicht sofort den Balkon des Nachbarn oder das Kinderbett nebenan erreicht. Silvester wäre damit noch lange nicht abgeschafft. Wer einmal in stockdunkler Provinz einen Himmel voller Raketen gesehen hat, weiß, wie kreuzfidel so eine Nacht ganz ohne Häuserschluchten sein kann. Und Millionen Kinder, Senioren und Haustiere müssten nicht mehr zittern, weil direkt vor ihrer Nase Sprengkörper detonieren. So kann es gehen. Umso bemerkenswerter ist die Initiative "Böllerciao", die mehr als 50 Organisationen umfasst – von Tierschützern über Ärzte bis zur Polizeigewerkschaft. Heute wirbt das Bündnis in einer Pressekonferenz für ein bundesweites, generelles Verbot von privatem Silvesterfeuerwerk. Das geht nun womöglich wirklich zu weit – aber ein Böllerverbot für alle Innenstädte wäre ein vernünftiger Mittelweg: deutlich weniger Leid, ohne dem Raketenzauber gänzlich den Garaus zu machen. Der Kompromiss liegt auf der Hand: Bitte weniger Staat im Alltag, dafür mehr Staat in jener einen Nacht, in der aus Spaß zu oft blutiger Ernst wird. Lassen wir die Leute außerhalb der Innenstädte weiter zündeln, solange sie Abstand halten und niemandem schaden. Aber schenken wir den Straßen und Plätzen, auf denen wir an den übrigen 364 Tagen des Jahres einkaufen, spielen, protestieren und verliebt herumstehen, wenigstens diesen einen Abend Ruhe. Ein Böllerverbot für Innenstädte wäre kein Angriff auf die Freiheit – sondern eine Befreiung von einer Tradition, die außer Rand und Band geraten ist. Diplomatischer Durchbruch? Von einer "entscheidenden Woche für die Diplomatie" spricht die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas im Hinblick auf den Ukraine-Krieg. Tatsächlich ist zumindest die Betriebsamkeit hoch. Am Sonntag sprachen ukrainische und amerikanische Regierungsvertreter in Florida über die Voraussetzungen für eine Waffenruhe, gestern tagten in Brüssel die EU-Verteidigungsminister, und der wegen eines Korruptionsskandals unter Druck stehende Präsident Wolodymyr Selenskyj besuchte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron in Paris. Heute will Trumps Vertrauter Steve Witkoff in Moskau noch mal mit Kremlchef Wladimir Putin zusammenkommen. Weniger imposant als das Reiseaufkommen wirken die erzielten Fortschritte. Weiterhin ungeklärt sind so zentrale Punkte wie der, welche noch nicht von den Russen eroberten Gebiete die angegriffenen Ukrainer dem Aggressor zur Belohnung abtreten sollen. Oder von wem sie welche glaubhaften Sicherheitsgarantien dafür bekommen. Solange der Kriegstreiber im Kreml zwar Gesprächsbereitschaft simuliert, aber kein einziges noch so kleines Zugeständnis macht, drängt sich ohnehin eine andere Deutung der Verhandlungen auf: Moskau redet über Frieden, um dabei weiter Krieg zu führen. Bei einem russischen Raketenangriff auf die zentralukrainische Großstadt Dnipro wurden gestern mindestens vier Menschen getötet und 22 weitere verletzt. Reif für die Rente? Am Freitag soll der Bundestag endgültig über das Rentenpaket abstimmen, so erwartet es Kanzler Friedrich Merz. Immerhin hat sich der Koalitionsausschuss vergangene Woche auf einen Begleittext zum geplanten Gesetz verständigt, demzufolge eine Kommission bis Mitte 2026 Vorschläge für eine umfassende Reform der Alterssicherung erarbeiten soll. Auf diese Weise wollen die Spitzen von Schwarz-Rot die Rebellen der Jungen Gruppe in der Union einfangen, die das Gesetz scharf kritisiert. Der Erfolg hält sich allerdings in Grenzen. Johannes Winkel, Vorsitzender der JU, kündigte gestern an, dem Rentenpaket im Bundestag nicht zuzustimmen. Einziges Zeichen des Entgegenkommens an das Partei-Establishment bleibt der Hinweis, dass die 18 Mitglieder der Jungen Gruppe einzeln entscheiden werden, wie sie abstimmen. Da die Koalition nur eine Mehrheit von 12 Stimmen hat, bleibt die Angelegenheit eine Zitterpartie. Bei der heutigen Fraktionssitzung von CDU/CSU soll es eine Probeabstimmung geben. Schneller aufrüsten Show oder Aufbruch? Unter dem Titel "Industrie im Dialog für Sicherheit" laden Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) heute Vertreter der Verteidigungsindustrie sowie der Auto- und Zuliefererindustrie zum Gipfeltreffen in den Berliner Bendlerblock ein. Erörtert werden soll die Frage, ob die kriselnden Fahrzeugbauer den boomenden Rüstungsunternehmen bei der Produktion von Panzern, Drohnen und anderem Militärgerät unter die Arme greifen können. Lesetipps Bei Protesten gegen eine AfD-Veranstaltung stürzte ein Pferd – nun herrscht in den "sozialen Medien" Aufruhr: Was war da los? Unser Rechercheur Lars Wienand klärt den Fall. Donald Trump schimpft über Europas Abhängigkeit von Russland. Doch nun plant der US-Präsident noch viel umfangreichere Deals mit dem Kreml. Deutschland und die EU müssen endlich Konsequenzen daraus ziehen, kommentiert unser Amerika-Korrespondent Bastian Brauns. Putin demonstriert Stärke – aber die russische Wirtschaft taumelt. Mein Kollege Patrick Diekmann analysiert die Folgen. Immer mehr Minderjährige fühlen sich von Islamisten und Rechtsextremisten angezogen. Was hilft gegen die Radikalisierung von Jugendlichen? Die Kollegen der Deutschen Welle schauen genauer hin. Ohrenschmaus Ein Vietnamveteran aus der Provinz kommt nach Austin in Texas und klopft an die Tür eines Musikproduzenten: Ob er ihm bitte, bitte etwas vorspielen dürfe? Hin und her, na gut. Er spielt einen Song und noch einen und noch einen – und der Produzent ist Feuer und Flamme. Er trommelt ein paar Begleitmusiker zusammen und nimmt noch in derselben Nacht ein Album auf. Es wird … ein Flop. Der Musiker kehrt enttäuscht in seine Heimat Indiana zurück, später stirbt er mit gerade einmal 46 Jahren. Doch vier Jahrzehnte später wird Bill Wilsons Musik ein Riesenerfolg. Kein Wunder. Zum Schluss Ich wünsche Ihnen einen knallfreien Tag. Herzliche Grüße und bis morgen Ihr Florian Harms Chefredakteur t-online E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de Gefällt Ihnen der Tagesanbruch? Dann leiten Sie diesen Newsletter an Ihre Freunde weiter. Haben Sie diesen Newsletter von einem Freund erhalten? Hier können Sie ihn kostenlos abonnieren. Alle bisherigen Tagesanbruch-Ausgaben finden Sie hier . Alle Nachrichten von t-online lesen Sie hier . Mit Material von dpa.