AUDI E5: Erstes eigenständiges Modell für China im Test
In China setzt Audi jetzt auf speziell entwickelte Modelle für den Markt – und einen speziellen Auftritt. Der E5 macht den Anfang und zeigt beim Fahren bekannte Qualitäten. Alles wird anders: Als Audi im Herbst zur IAA in München das Concept C zeigte, haben die Bayern einen überfälligen Neustart versprochen. Nur wie alles bei den europäischen Herstellern im Allgemeinen und im VW-Konzern im Besonderen dauert der mal wieder ein wenig länger. Denn erst 2027 wollen sie und die Serienfassung des elektrischen Roadster-Coupés präsentieren, bis es auf den Markt kommt, wird es 2028 und bis die "neue Klarheit" auch mal in der Breite ankommt, schreiben wir wahrscheinlich das nächste Jahrzehnt. Eigene Modellfamilie für China In China , wo der Druck noch größer ist und der Rückstand auch, da muss es schneller gehen, haben die Herren der Ringe erkannt und ihre Prozesse auf "China Speed" beschleunigt. Allerdings nicht aus eigener Kraft. Ausgerechnet von seinen ehemaligen Schülern lässt sich der erste westliche Premiumhersteller im fernen Osten jetzt zeigen, wie man schnell eine neue Modellfamilie aus dem Boden stampft, die elektrotechnisch auf dem neuesten Stand ist und bei Design und Digitalisierung auch noch den Geschmack der örtlichen Kundschaft trifft. Das erste Auto aus der Kooperation mit SAIC hat Audi als Studie vor 18 Monaten in Shanghai präsentiert, seit ein paar Wochen ist der E5 Sportback da und das Bild der Marke beginnt sich bereits zu wandeln. Dafür hat sich Audi allerdings auch bewusst von allem gelöst, was die Marke ausmacht. Nicht nur das Design ist frisch und unverbraucht, sondern vor allem der immer gleiche Single Frame ist endlich Geschichte und mit ihm sogar die Audi-Ringe. Nach bald 100 Jahren weichen sie einer Wortmarke in Versalien, nämlich AUDI, für die es – wenn schon, denn schon – sogar einen neuen Schrifttyp gibt. Ein kleines Detail mit großer Symbolkraft. Auf lokale Bedürfnisse zugeschnitten Die Entwicklungshilfe macht sich bemerkbar: Denn in kaum mehr als der Hälfte der üblichen Zeit ist so ein Auto entstanden, das kompromisslos auf chinesische Bedürfnisse ausgerichtet ist: Frisch gezeichnet, lokal produziert, vollständig digital und tief in das chinesische Ökosystem eingebettet. Selbst ein A6 e-tron Avant wirkt daneben plötzlich fast nostalgisch. Auch der Name Sportback täuscht: Mit der schrägen Silhouette der europäischen Modelle hat der E5 wenig gemein. Viel eher erinnert er an einen dynamischen Kombi, der aus manchem Blickwinkel auch als Shooting Brake durchgehen könnte. Der Kofferraum fällt mit 347 Litern für ein 4,88-Meter-Auto zwar bescheiden aus, und der Frunk reicht nur fürs Ladekabel, das Warndreieck und den Verbandskasten . Doch dafür trägt der E5 seine Form mit einer Freiheit, die Tradition hinter sich lässt – etwas, das in China moderner wirkt als klassische Premiumschwere, die dort schnell mit Bürokratie assoziiert wird. Die Front ist glatt und klar, durchzogen von fein inszeniertem LED-Licht und einer raffinierten Luftführung. Die Seitenlinie bleibt schlank und unaufgeregt, und das Heck zählt zu den mutigeren Designs der letzten Jahre. Modern, verspielt und dennoch warm Innen zeigt der E5 am deutlichsten, wie weit sich der Ansatz von Ingolstadt entfernt. Während selbst moderne Audi-Modelle aus Europa oft den nüchternen Charakter einer Flughafenlounge haben, überrascht der erste Audi ohne Ringe mit einer warmen, modernen und überraschend verspielten Gestaltung. Bambus an den Türen, schlanke Sitze, ein Bildschirm über die ganze Breite und ein Trackpad, dessen Avatar auf Fingerzeig kleine Animationen abfeuert – vom Feuerwerk bis zur Herzchenwolke. Dazu kommen Luxusdetails, die man sonst in deutlich höheren Segmenten findet: elektrisch öffnende Türen wie im 7er BMW oder Radkappen, die wie bei Rolls-Royce stets geradestehen. Einzig die Kameraspiegel erinnern an frühe e-tron-Lösungen – technisch interessant, aber nicht zwingend besser. So fährt er Auch technisch setzt sich der E5 von den aktuellen PPE-Modellen ab. Mit bis zu 787 PS sprintet er in 3,4 Sekunden auf Tempo 100 und erreicht trotz der in China geltenden Tempobeschränkungen eine Höchstgeschwindigkeit von 240 km/h. Die 800-Volt-Batterien mit 76 oder 100 kWh ermöglichen im lokalen Zyklus bis zu 773 Kilometer Reichweite. Und beim Laden setzt der E5 ein deutliches Zeichen: Statt 270 kW wie bei den europäischen Modellen verkraftet er bis zu 400 kW. Die Assistenzsysteme dürfen in China weit mehr als in Europa und steuern den Wagen selbstständig durch dichten Stadtverkehr, vollziehen Spurwechsel, fahren durch fließenden Gegenverkehr ab, drehen U-Turns und parken ohne Fahrer ein – Hände am Lenkrad sind mehr Formsache als Notwendigkeit. Dass dennoch Audi drinsteckt, zeigt sich dort, wo die Marke traditionell stark ist: Bei Materialien, Verarbeitung und Fahrgefühl. Die Abstimmung ist vertraut ausgewogen, das Handling präzise, das Auto wirkt wie ein echtes "Fahrzeug" im besten Sinne. Dafür sorgen nicht zuletzt die adaptive Zweikammer-Luftfederung aus dem e-tron GT, spürbar unterschiedliche Fahrmodi und eine Allradlenkung, die sowohl in engen Gassen als auch bei schneller Fahrt einen Unterschied macht. Bleibt die Frage, wie viel Audi in diesem Auto noch steckt, wenn Entwicklung, Fertigung und Antrieb weitgehend aus China stammen. Und ob das überhaupt etwas ausmacht. Im Vergleich zum A6 e-tron spricht vieles dagegen, die chinesische Entwicklungshilfe als Nachteil zu verbuchen. Während die europäische Palette bis zur Serienumsetzung des Concept C im "Weiter so" gefangen ist, definiert der E5 die Idee neu: moderner, digitaler, alltagsnäher – und deutlich günstiger. Denn auch preislich spielt der E5 in einer eigenen Liga: Während der A6 e-tron Avant in Deutschland erst bei 64.450 Euro beginnt, startet der E5 Sportback in China bei umgerechnet knapp unter 30.000 Euro und bleibt selbst in der Topversion unter 40.000 Euro. Zweiter Audi steht in den Startlöchern Und die Chinesen halten Audi weiter auf Trab. Denn während die Bayern bei uns noch Demofahrten mit dem Messeauto machen und weiter um Geduld bis 2027 bitten, haben sie kurz vor dem Jahreswechsel schon den zweiten Audi ohne Ringe gezeigt und dem Sportback ein SUV zur Seite gestellt . Und bis das Concept C dann wahrscheinlich 2028 tatsächlich den TT und den R8 beerben wird, soll die Sub-Marke in China bereits vier Modelle umfassen.
