Trabant P 70: Urahn des Trabi wird 70 Jahre alt
Er ist ein Kultklassiker, wie kein anderer. 1955 debütierte der Wegbereiter des Trabi, der 36 Jahre lang produziert wurde. Heute zählt dieser zu den populärsten Oldtimern. Er hatte eine revolutionäre kunststoff-beplankte Karosserie und verkörpert eine verschwundene Welt. Genau das macht den Trabant heute zu einem der beliebtesten Oldtimer: Rund 40.000 Einheiten des früheren DDR-Volksautos waren laut Kraftfahrtbundesamt (KBA) letztes Jahr noch in Deutschland zugelassen. Dabei war der allerletzte von insgesamt fast 3,1 Millionen Trabants schon im Mai 1991 im sächsischen Zwickau gebaut worden – sieben Monate nach der Vereinigung von DDR und BRD, zu deren automobilem Symbol das DDR-Kultmodell mit dem typischen Reng-teng-teng-Zweitaktsound stilisiert worden ist. Vor 70 Jahren nahm die Geschichte des nach dem sowjetischen Erdtrabanten Sputnik benannten Viersitzers ihren Anfang. 1955 präsentierten die Automobilwerke Zwickau (AWZ) den Typ P 70 als Wegbereiter für den Trabant. Anders als westliche Volksautos wie der VW Käfer oder der Citroën 2 CV präsentierte sich der 3,74 Meter lange P 70 im hochmodernen Pontondesign und dazu als weltweit erster Serienwagen mit Karosserieteilen aus Duroplast-Kunststoff. Der Stahlmangel der Nachkriegsjahre hatte zur Entwicklung dieses Werkstoffs auf Baumwollbasis geführt, dagegen galt der 122 PS leistende Zweitakt-Zweizylinder als zeitgemäß effiziente Motorisierung für den front angetriebenen P 70. Immerhin setzten auch noch DKW oder Saab auf robuste und billige Zweitakter. 1956 kam der Kombi, 1957 sogar ein Coupé. Nach nur drei Jahren wurde der P 70 vom Trabant P 50 abgelöst, aber erst der Trabant 601 im Trapezliniendesign brachte die Duroplast-Bauweise ab 1964 in eine Millionenauflage. Trotzdem: Die Lieferzeit für einen "Trabi" betrug endlos scheinende 10 bis 15 Jahre. Ein hochpolitisches Auto Kein Kultauto ohne Kose- oder Spottnamen, aber die Liste der Rufnamen für den Trabant toppt alle Rivalen. "Stinker" (wegen der Zweitakt-Duftnote), "Rennpappe" (mit vermeintlich Pappe-ähnlicher Duroplast-Karosse reüssierte der Trabi sogar im Rallyesport), "Duroplastbomber", "Arbeiter-und-Bauern-Volvo" (Das Politbüro und Prominente fuhren Volvo) oder spöttisch "Sachsenporsche" (das DDR-Autobahntempolimit von 100 km/h entsprach der Vmax des Trabis): Die zahllosen, kreativen Bezeichnungen für den Wagen mit der bläulichen Abgas-Fahne füllten schon einen ganzen Sonderausstellungsbereich im Bonner Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Schließlich war das sächsische Volksauto immer auch ein Politikum: So verhinderte die DDR-Regierung technisch essenzielle Evolutionen der von 1964 bis 1991 optisch kaum veränderten Limousinen und Kombis. Aber auch die Kooperation der DDR-Fahrzeugindustrie mit Volkswagen nahm mit dem Trabant 601 Fahrt auf, zumal der "Stinker" 1988 dank eines neuen VW-Polo-Vierzylinders zum Viertakter mit dem Typenschild Trabant 1.1 mutierte. Ein Großeingriff konnte ihn nicht retten Es war eine teure Herz-Transplantation für den damals bereits 22 Jahre alten 601, die das DDR-Volksauto am Ende nicht retten konnte, dafür 1990 eine VW-Polo-Produktion im neuen Werk Mosel bei Zwickau initiierte. Im letzten Jahr der DDR waren 2,2 Millionen Trabants zugelassen, fast jeder zweite Pkw zwischen Rostock und Erzgebirge war ein Trabant. Gleichzeitig gab es aber gut fünf Millionen noch nicht erledigte Kundenbestellungen, da die Kapazitätsgrenze des Trabant-Werks bei knapp 150.000 Einheiten pro Jahr lag. Als sich am 9. November 1989 überraschend die Grenze zwischen DDR und BRD öffnete, gingen die Bilder von fröhlichen Menschen in kleinen Trabis, die in endlosen Kolonnen Richtung Westen fuhren, um die Welt. Ebenso plötzlich wurde der Trabant durch moderne Westautos verdrängt. Neuwagen standen ab 1990 auf Halde, weshalb die finale Trabant-Lieferung 1991 in die Türkei geschickt wurde. Von dort kehrten die Trabis drei Jahre später zurück: Das DDR-Volksauto war in Kleinasien ebenso unverkäuflich geworden wie in Ungarn oder der damaligen Tschechoslowakei. Anders inzwischen in den fünf neuen deutschen Bundesländern. Dort machte eine Ostalgiewelle die "Pappe" ab Mitte der 1990er zum Kultobjekt, sodass reimportierte Trabants aus der Türkei das Doppelte des einstigen Neupreises erzielten. Entwicklung des P 70 begann 1954 Der harte wirtschaftliche Strukturwandel in den neuen Bundesländern bewirkte sentimentale Erinnerungen an die vermeintlich guten alten Zeiten, die 1954 begannen, als die Staatsführung der DDR die Entwicklung des viersitzigen Kleinwagens P 50 Trabant beschloss. Zunächst aber ging 1955 der moderne Ponton-Zweitürer P 70 in Serie, dies mit Duroplast-Teilen (einem Material auf Baumwollbasis und Phenolharz) auf einer Holzskelettkarosserie und mit der Technik des Vorkriegstyps IFA F 8. Während vom VW Käfer 1955 bereits das millionste Fahrzeug ausgeliefert wurde und die nächsten Millionenmarken in Wolfsburg nur wenige Jahre später fielen, kam der frugal ausgestattete P 70 (der Kofferraum ließ sich nur von innen beladen) auf bescheidene 36.000 Einheiten. Nach P 70 und P 50 kam der Trabant 600 Der Trabant P 50 machte es besser, nicht zuletzt dank eines kräftigeren, bis 20 PS entwickelnden 0,6-Liter-Zweizylinders und Duroplast auf einer Stahlblechstruktur. Nach 131.000 Trabant P 50 stand 1962 der nächste Wachwechsel an: Der Trabant 600 (P 60) punktete nun mit einem 0,6-Liter-Zweizylinder mit 23 PS, der den als Limousine, Kombi, Camping und Lieferwagen vorgestellten Fronttriebler auf Tempo 100 beschleunigte. Trabant Nummer drei folgte bereits zwei Jahre später: Der Typ 601 adaptierte das von Stardesigner Pininfarina vier Jahre zuvor etablierte Trapezliniendesign – heute unglaublich, aber manche Peugeot-Manager betrachteten den Trabant 601 als Mini-Ausgabe des Peugeot 404. Auch sonst zeigte sich der als Limousine, Kombi (Universal) und Jagdwagen gebaute Trabant 601 en vogue: Der Frontantrieb des 3,56 Meter kurzen, viersitzigen Familienautos wurde in der kleinen Klasse erst in den 1970ern allgemeiner Standard, und die sächsischen Ingenieure experimentierten mit Wankelmotoren und Dieselaggregaten als Ersatz für den Zweitakter. Ein Auto wird zum Kultobjekt Vergeblich, alle disruptiven Weiterentwicklungen des Trabant 601 wurden von den politischen Machthabern eingestellt, dazu gehörten auch bahnbrechende Studien wie der P 603 aus den späten 1960ern. Stattdessen mussten ständige Detail-Updates genügen, von 1964 bis 1988 gab es insgesamt 326 Serienänderungen und 156 Karosseriemodifikationen. Nicht einmal der Trabant 1.1 mit Volkswagen-Viertaktmotor erhielt 1988 eine neue, zeitgemäße Karosserie. Zum Popstar reichte es für den Trabant trotzdem, zunächst ab 1971 in DDR-Hits wie "Ein himmelblauer Trabant" von Sonja Schmidt, dann ab 1991 als Leinwandheld in Kinofilmen wie "Go Trabi Go". Nicht zu vergessen die Trabi-Kunstwerke im Berliner Mauer-Museum "Eastside Gallery" oder das Denkmal vor dem August-Horch-Museum in Zwickau, der ehemaligen Produktionsstätte des Autos. So wie die Tifosi des knuddeligen, klassischen Fiat 500 gern nach Turin pilgern, zieht auch der Zwickauer Millionseller die Fans an seine Geburtsstätte. Nur eins gelang dem Trabant im Unterschied zum Cinquecento nicht: ein Revival mit neuer Technik im Retrodesign. Studien wie der "new Trabi" von 2009 fanden bislang keine Finanziers.
